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Altendorf
19.09.2019
19.09.2019 18:22 Uhr

Google, Apple und Co. testen ihre Geräte auf Acuitas-Simulatoren

Mitarbeiter der Acuitas bauen einen Bewegungssimulator zusammen. Übrigens: Das Fundament für die Drehtische muss seismisch isoliert werden und darf nicht träge sein, um äussere Einflüsse, beispielsweise von der Autobahn nebenan, ausschliessen zu können.
Mitarbeiter der Acuitas bauen einen Bewegungssimulator zusammen. Übrigens: Das Fundament für die Drehtische muss seismisch isoliert werden und darf nicht träge sein, um äussere Einflüsse, beispielsweise von der Autobahn nebenan, ausschliessen zu können.
Die Acuitas AG in Altendorf entwickelt und baut Bewegungssimulatoren, mit deren Hilfe Unternehmen intelligente und autonome Systeme entwickeln, die sich im Bewegungsraum selbstständig orientieren können.

Was haben ein autonom fahrendes Auto, eine App wie Sky Map, ein Satellit und ein mobiler Roboter gemeinsam? Sie alle müssen in der Lage sein, sich im Bewegungsraum zurechtzufinden. Sie alle sind angewiesen auf perfekt funktionierende Sensorclusters. Jedes Navigationssystem eines jeden Autos, Flugzeugs, Schiffs und eines jeden Handys muss getestet werden, bevor das Fahrzeug oder Gerät verkauft werden kann. Sie ahnen es bereits: Hier kommt ein Ausserschwyzer Unternehmen ins Spiel. Die Bewegungssimulatoren der Acuitas AG in Altendorf ahmen entsprechende Bewegungen, Beschleunigungen und Temperaturbedingungen realitätsgetreu nach, um das Verhalten der Systeme zu überprüfen und Fehler in der Navigation, der Führung oder den Kontrollsystemen aufzudecken. Damit hilft Acuitas seinen Kunden, deren Algorithmen zu verbessern.

 

Bis zu 12 Stunden herumgewirbelt

Kunden sind in erster Linie Sensoren-hersteller, welche die Simulatoren, Ortungssysteme und Messinstrumente bei der Acuitas bestellen. In der Kundenliste lesen sich aber auch ganz grosse Namen wie Google, Apple und BMW. Der grösste Simulator, der für Sensoren von Flugzeugen gebaut ist, wiegt fünf Tonnen und ist 6,25 Quadratmeter gross. In einem Flugzeug betreffen rund 20 der über 5000 Sensoren die Navigation – sie alle werden auf den Bewegungssimulatoren der Acuitas getestet. Die Testzeit kann bis zu 12 Stunden betragen, je nachdem, was getestet wird und ob auch Effekte wie Temperatur, Druck und Gravitation simuliert werden sollen.

Es hat etwas Stimulierendes, wie sich die drei Achsen der Maschine
 drehen – einmal die eine vertikal, die andere horizontal und die dritte schräg, dann plötzlich ändert eine Achse ihre Richtung oder wird schneller. Perfekt aufeinander abgestimmt und mit zum Teil schwindelerregenden Geschwindigkeiten «tanzen» die Achsen in wechselndem Takt die genau vorgegebene Schrittabfolge. Je nachdem, was getestet werden soll, sieht die «Choreographie» entsprechend anders aus.

 

«Alles muss geprüft werden»

Angefangen hat alles mit Sensoren für Satelliten. Die Raumfahrttechnik entwickelte sich rasant, binnen kürzester Zeit entwuchs sie ihren Kinderschuhen. Als die Astronauten der letzten drei «Apollo»-Missionen mit ihrem Mondauto den Erdtrabanten erkundeten, waren sie auf einen Computer angewiesen, um ihre Position zu erfahren. Wäre der Rechner ausgefallen, hätten sie den Weg zurück zur Landefähre vielleicht nicht mehr gefunden. In den 1970er-Jahren drängten neue Sensorsysteme und -plattformen auf den Markt, basierend auf viel kleineren dreidimensionalen Halbleitern. Diese miniaturisierten Systeme sind heute in Fahrzeugen, Kommunikationsgeräten, medizinischen Apparaten etc. eingesetzt. Den sich entwickelnden Boom erkannte der damals in den USA-lebende Leo Marxer. Anstelle von optischen Instrumenten begann er, für die Optische Anstalt C. P. Goerz präzise elektro-mechanische Instrumente zu entwickeln. 

Grosse Bedeutung kam den hochpräzisen Sensoren für die heranwachsende Luft- und Raumfahrt zu. Inzwischen findet man die Sensoren in grosser Zahl auch in unserem Auto, sei es in Navigations- oder Sicherheitssystemen oder im Komfortbereich. «Technologie, die früher nur Flugzeugen und anderen Hightech-Applikationen offen-stand, kann heute durch neue Prozesse in Halbleitertechnologie in grossen Stückzahlen zu erschwinglichen Preisen gefertigt werden», resümiert Geschäftsführer Hans Feusi, der sich Marxer in den 80er-Jahren anschloss und 1999 mit ihm die Acuitas AG gründete. «Was bleibt, ist, dass noch immer alle Systeme vollständig geprüft werden müssen.»

Jährlich wächst der Sensormarkt um fünf bis zehn Prozent. «Hochgerechnet über die kommenden fünf Jahre dürfte das Potenzial bei 180 bis 250 Millionen Franken oder gar höher liegen», sagt Feusi voraus.

 

Bis jetzt keine Schweizer Kunden

Dadurch, dass es immer mehr Einheiten werden, steigt auch die Herausforderung in Bezug auf den Qualitäts-anspruch. Kürzlich hat Acuitas eine neue Produktserie mit innovativem Design und Konzept auf den Markt gebracht. Auf die ozonbeeinträchtigende Kühlung wurde verzichtet. «Das Erarbeiten der neuen Produktserie hat über längere Zeit enorme Entwicklungskräfte gebunden. Zudem mussten wir ein Produkt- und Produktionsmanagementsystem hochfahren und das Qualitätssystem anpassen,» erzählt Feusi. «Für ein kleines KMU eine enorme Leistung, wie ich finde.» Diesen Monat wird das erste System ausgeliefert. Feusi plant, auch die Fertigung auf Solarenergie umzustellen.

Obwohl es sich durch und durch um Schweizer Produkte handelt, die die 25 Mitarbeitenden von Acuitas in Altendorf selbst zusammenbauen und entwickeln, konnte das Unternehmen noch nie ein Produkt in der Schweiz verkaufen. «Wir leben zu hundert Prozent vom Export», gibt Feusi bekannt. Die meisten Abnehmer sitzen in Indien, China, Russland und Deutschland. Vertriebspartner hat Acuitas in Indien, Südkorea, Taiwan und Russland, weitere Partner sind in den USA, in England und mit dem Felix Auer Konstruktionsbüro auch in Altendorf zu finden.

 

Grosser Auftrag von Bosch

Derzeit ist das Unternehmen eingehend mit einem Projekt beschäftigt, das im Auftrag von Bosch entsteht. Das deutsche Milliarden-Unternehmen stellt spezielle Sensoren für Smartphones, Smartwatches, Virtual Reality-Brillen, aber auch für -Fahrzeuge her. Ein Jahr brauchte Acuitas, um die startbereiten Testsysteme fertigzustellen – in zwei Wochen werden sie ausgeliefert. Ein weiteres aktuelles Projekt betrifft die Entwicklung eines Simulators, der die Bedingungen beim Überholmanöver simulieren soll.

Acuitas kam auch ins Spiel beim Google-Projekt «Tango». Die Technologie-Plattform ermöglicht mobilen Geräten wie Tablets oder Smartphones, ihre relative Position zur Aussenwelt ohne GPS oder andere signalbasierte Ortungssysteme zu ermitteln.

Dass die Anwendungsbereiche der Acuitas-Produkte vielfältig sind, zeigt folgendes Projekt: Mit hochauflösenden Sensoren, die die Änderung der Erdanziehungskraft aufzeigen, wird heute von Messflugzeugen nach Bodenschätzen gesucht. Das Instrumentarium dazu ist «made in Altendorf».

aa
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