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19.09.2019
19.09.2019 18:21 Uhr

«Es wird nicht weniger Jobs geben, aber andere»

Freude an der Robotik: Agathe Koller leitet das Institut für Laborautomation und Mechatronik an der Hochschule für Technik Rapperswil und unterrichtet dort auch selber. Spricht sie über Projekte ihrer Studenten, blüht sie auf.
Freude an der Robotik: Agathe Koller leitet das Institut für Laborautomation und Mechatronik an der Hochschule für Technik Rapperswil und unterrichtet dort auch selber. Spricht sie über Projekte ihrer Studenten, blüht sie auf.
Die Nachfrage nach Robotern steigt auch in der Ausserschwyzer Maschinenindustrie. Das ILT an der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) berät Unternehmen in der Region, die Teile ihrer Produktion automatisieren wollen, und hilft ihnen bei der Umsetzung. Mit Institutsleiterin Agathe Koller haben wir über Chancen, Ängste und die Möglichkeiten der Robotik gesprochen.

Sie leiten das Institut für Laborautomation und Mechatronik ILT an der Hochschule Rapperswil, das in seiner Art einzigartig ist. Wie ist das Institut entstanden?

Das ILT entstand im Jahr 2006 in enger Zusammenarbeit mit dem Verein Toolpoint for Lab Science, ein Cluster, der das Wissen und die Fähigkeiten der Life-Science-Branche bündelt. Er vereint rund 30 Unternehmen, Hochschulen, wissenschaftliche Institute und Partner in der Region, die gemeinsam das Ziel verfolgen, die Prozesse rund ums Labor effizienter zu gestalten. Der Verein suchte einen Forschungspartner mit Fokus auf Laborautomation. Da kam die HSR ins Spiel. 

«Unseren Partnern empfehlen wir immer, die Mitarbeitenden so früh wie möglich zu involvieren.»

Woher kommt Ihre Passion für die Technik?

Ich habe mich schon immer für Technik interessiert. Ich musste nie gross überlegen, was ich machen will. Der Bereich Automation und Robotik ist interdisziplinär, was mir gefällt. Die Robotik hat sehr viele Anwendungs-felder. Nach meinem Studium in Mikrotechnik an der École polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL) mit Vertiefung Automation habe ich an der ETH Zürich im Bereich Robotik promoviert. 

 

Welche Bereiche der Robotik interessieren Sie besonders?

Ich finde es dort spannend, wo man Menschen mit technischen Systemen helfen kann. Das ist zum Beispiel in der Rehabilitation, in den Life Sciences oder der Medizintechnik der Fall.

 

Man soll immer bei der Definition der Sache beginnen, über die man spricht. Frau Koller: Was gilt als Roboter?

Ein Roboter ist ein Multi-Achsen-system, er ist flexibel und er ist reprogrammierbar, was ihn von einem Automaten unterscheidet. Roboter können für verschiedene Anwendungen eingesetzt werden. 

 

Das ILT unterstützt Unternehmen in der Region in Sachen Roboterlösungen. Wer sind Ihre Partner?

In Ausserschwyz sind das vor allem Produktionsfirmen, mit denen wir intensiv zusammenarbeiten. Das sind in der Regel KMU, die Bauteile produzieren. Die Gemeinsamkeit all dieser Unternehmen ist, dass viele Fertigungsschritte noch manuell ausgeführt werden. Sie können sich eine komplette Automation nicht leisten, weil sie viele Produkte in kleinen Stückzahlen produzieren. Die grosse Vielfalt der Produkte ist eine Herausforderung für die Automation. Heute haben wir aber immer mehr Möglichkeiten, mittels kollaborativen Robotern, also Roboter, die eng mit den Menschen zusammenarbeiten, flexible Lösungen anzubieten. 

 

Wie können diese Unternehmen von Ihrem Knowhow profitieren?

Wir analysieren ihre Prozessbedürfnisse und unterstützen sie bei der -Entwicklung von roboterbasierten Lösungen. Eine universelle Lösung gibt es nie und Möglichkeiten viele. In den meisten Fällen werden wir von Firmen angefragt, die schon von kollaborativen Robotern gehört haben, aber noch keine Erfahrung damit haben. Sie wissen also nicht, welches Produkt und welches Robotersystem am besten geeignet ist. Als Hochschule haben wir den Überblick über den aktuellen Stand der Technik und können sie so gut beraten. Wir sagen ihnen aber auch, wenn ihre Produktion schwer automatisierbar ist. Das kann auch im Rahmen einer Bachelor- oder Studienarbeit von Studenten gemacht werden, da profitieren Unternehmen natürlich enorm.

 

Wie gross schätzen Sie die Nachfrage in der Region ein?

Zunehmend. Insbesondere in der kollaborativen Robotik und in der Qualitätskontrolle beobachten wir eine steigende Nachfrage. Qualitätskontrolle wird erstaunlicherweise noch häufig von Hand gemacht. Da passieren natürlich viele Fehler, wenn man es mehrere Stunden lang macht. Das kann ein Kamerasystem genauer und länger.

 

Haben Sie Beispiele für den Einsatz von kollaborativer Robotik?

Zum Beispiel in der Montage oder wenn es darum geht, ein Teil zu holen und an einem anderen Ort zu platzieren. Das wird häufig von Robotern -gemacht. Die Mitarbeitenden über-lassen solche repetitiven Aufgaben -gerne einem Roboter. 

 

Was sind das für Unternehmen in unserer Region, die Roboter einsetzen möchten, aus welchen Branchen kommen sie?

Betroffen sind hier vor allem die Maschinenindustrie. 

 

Sie haben die Mitarbeitenden von Unternehmen angesprochen, die automatisieren wollen. Werden die Roboter von ihnen akzeptiert oder stossen sie da oft auf Widerstand?

Die Akzeptanz bei den Mitarbeitern ist ein sehr wichtiger Aspekt. Unseren Partnern empfehlen wir immer, die Mitarbeitenden so früh wie möglich in den Entwicklungs-prozess zu involvieren. Ob sie sich an die Empfehlung halten, ist aber eine andere Frage. Wo wir die grösste Akzeptanz sehen, ist bei anstrengenden und nicht ergonomischen Arbeiten, die den Mitarbeitenden von Robotern abgenommen werden können. 

 

In der Bevölkerung ist der Respekt vor Robotern noch relativ gross, man traut der Sache noch nicht ganz. Vor allem die Angst, durch Roboter als Arbeitskraft ersetzt zu werden, ist gross. Für wie begründet halten Sie diese Sorgen?

Ich kann die Ängste verstehen. Aber: Robotik und Automation werden neue Jobs generieren, die wir heute noch gar nicht kennen. Internationale -Studien bestätigen diesen Trend. Es wird nicht weniger Jobs geben, aber andere. 

 

«Roboter stossen häufig an ihre Grenzen, sobald die Situation neu ist.»

Welche Jobs sind kurzfristig am gefährdetsten, durch Roboter ersetzt zu werden?

In der Produktion gibt es viele monotone Arbeiten, die noch immer von Hand gemacht werden. Diese Arbeitsplätze werden vermutlich verschwinden. Im Bereich Service – also alles, was mit Verkauf zu tun hat – wird wahrscheinlich alles automatisiert. In der Folge werden immer weniger Verkaufsstellen angeboten. 

 

Welche Jobs können nie durch Roboter ersetzt werden?

Es gibt Bestrebungen, Roboter im Pflegebereich oder im Haushalt einzusetzen. Klar, Roboter werden immer besser, aber ich bin der Meinung, dass man dort die Menschen nicht komplett durch Roboter wird ersetzen können. Der zwischenmenschliche Kontakt wird wichtig bleiben. Zudem stossen Roboter häufig an ihre Grenzen, sobald der Prozess leicht anders ist als der, wofür sie programmiert sind. 

 

Fördert der Fachkräftemangel den Trend zur fortschreitenden Automatisierung?

Es gibt hierbei zwei Aspekte zu beachten. Erstens: Robotersysteme sind komplexe Technologien. Das heisst: Es braucht hochqualifizierte Arbeits-kräfte, um sie zu entwickeln, zu warten und neu zu programmieren. Das Problem des Fachkräftemangels wird hierbei also nicht gelöst. Zweitens könnten durch die Automatisierung auch Jobs geschaffen werden.

 

Warum das? 

Während des Frankenschocks war die Angst der Unternehmen gross, die Produktionsanlagen ins Ausland verlagern zu müssen, weil es hier schlicht zu teuer ist. Das ist teilweise auch geschehen. Was jetzt aber passiert, ist das Gegenteil: Weil wir nun Prozesse flexibel automatisieren können, kommen sie wieder zurück, es wird also tendenziell wieder mehr in der Schweiz produziert. Dadurch entstehen hier wieder Arbeitsplätze. Und zwar nicht nur für Ingenieure, sondern auch für Produktionsmitarbeitende, also solche, welche die Anlagen betreuen. 

 

Und wenn die Produktion voll automatisiert würde?

Eine Produktion ohne Mitarbeitende und nur mit Robotern wird es nie geben. 

 

Welche Chancen bietet die Robotik?

Eine grosse Chance sehe ich dort, wo die Arbeit gefährlich ist für Menschen, zum Beispiel, wenn man es mit Chemikalien zu tun hat. Aber auch bei anstrengenden Arbeiten, die zum Beispiel zu Rückenproblemen führen, macht es Sinn, dass diese von Robotern übernommen werden. Viel Potenzial sehe ich auch in der Medizintechnik und der Rehabilitation, wo man Therapieroboter oder assistive Systeme für Menschen mit Behinderungen entwickelt. In der Schweiz sind einige innovative Firmen auf dem Gebiet aktiv. Ein weiteres spannendes Anwendungsfeld ist die Architektur, da Roboter beliebige Formen bauen und so einzigartige Gebäude schaffen können. 

 

Welcher Bereich der Robotik hat in Ihren Augen das grösste Wachstumspotenzial? 

Eindeutig die Service-Robotik. Das Wachstum der Stückzahlen über die letzten zehn Jahre war exponentiell. Wenn man Staubsauger, Rasenmäher und intelligente Spielzeuge auch als Roboter betrachtet, ist die Stückzahl gar im Millionenbereich.

 

Apropos Staubsauger: Wann kann mit dem ersten erschwinglichen Haushaltsroboter gerechnet werden, der mein Geschirr wäscht und die Kleider zusammenlegt?

Es gibt sehr viele Forschungsarbeiten diesbezüglich. Es gibt Roboter, die zum Beispiel abwaschen können. Wenn man sich die Videos aber anschaut, sieht man, dass sich die Anwend-barkeit in Grenzen hält. Da braucht es noch sehr viel Entwicklungsarbeit. Die Frage ist auch, wann ein solcher Roboter bezahlbar wird.

 

Allgemein: Wo müssen Roboter noch besser werden?

Die Robotersysteme werden immer effizienter. Verbesserungspotenzial gibt es auf jeden Fall bei der Bedienung. Für gewisse Robotersysteme braucht es Programmierkenntnisse, um diese zum Laufen zu bringen. Das ist nicht praktikabel für ein Produktionsunternehmen. Es braucht technische Lösungen, die einfach zu programmieren und zu bedienen sind. Da muss aus meiner Sicht etwas passieren. Das Ziel ist ja, Robotersysteme für mehrere verschiedene Aufgaben einsetzen zu können. Sonst rentiert es nicht. 

 

Wo steht die Schweiz im globalen Vergleich in Sachen Robotik?

Die Schweiz ist sehr gut positioniert. Wir haben hervorragende Forschungsinstitute, die auch international sehr vernetzt sind, es gibt Förderprogramme und viele Startups, die im Bereich Robotik tätig sind. Das Problem ist: Nur die wenigsten Startups schaffen den Durchbruch. Irgendwie schaffen
wir es zu wenig, Innovationen in Produkte umzuwandeln. Es mangelt bei Investoren und Unternehmern an Risikobereitschaft.

 

Was respektive wer sind die grössten Hürden der Robotik?

In erster Linie die Kosten. Die Systeme sind immer noch sehr teuer. Zweitens
die Prozesssicherheit. Das ist eine grosse Herausforderung besonders für die Service-Robotik. Um die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten, muss ein grosser Aufwand betrieben werden. Im Allgemeinen sind Roboter stärker als Menschen, das könnte zu gefährlichen Unfällen führen. 

 

Wie sieht eine Zukunft aus, in der Mensch und Roboter eng miteinander arbeiten?

Für einzelne Anwendungen ist dies bereits Realität. Ich bin überzeugt davon, dass Menschen und Roboter in Zukunft noch mehr und noch enger zusammenarbeiten werden. Vermehrt zum Einsatz kommen wird auch die Künstliche Intelligenz. Ziel ist, dass Roboter irgendwann so leistungsfähig sind, dass sie auch in unbekannten Situationen die richtigen Entscheidungen treffen können.

«Es braucht technische Lösungen, die einfach zu bedienen sind.»

Agathe Koller

Alter: 45 Jahre alt

Zivilstand: verheiratet, zwei Kinder

Herkunft: Frankreich/Schweiz

Wohnort: Richterswil

Beruf: Institutsleiterin ILT, Studiengangleiterin Master of Science in Engineering und seit 2004 Professorin an der HSR.

Ausbildung: dipl. Ing. EPFL Mikrotechnik, Dr. sc. techn. ETH Zürich

Hobbys: Familie, wandern, Natur

Was ich gerne erfunden hätte: Licht, den sozialen Roboter

Das wünsche ich der Schweiz: eine erfolgreiche Zukunft

aa