Wie kam es dazu, dass ein Buch über Ihr Leben geschrieben wurde?
Es war nie mein Plan, ein Buch zu schreiben. Ich wollte vor meinem 40. Geburtstag mein Leben reflektieren und den Rucksack, der sich über die Jahre gefüllt hat, final ablegen. Vor fünf Jahren habe ich begonnen, alles niederzuschreiben, habe dann aber gemerkt, dass ich mit mir selbst zu wenig streng bin. Deshalb war ich froh, dass die Autorin Angela Lembo-Achtnich mich angefragt hat. Bis vor zwei Monaten wussten wir aber nicht, ob das Buch wirklich erscheint. Ursprünglich hätte es vor einem Jahr erscheinen sollen. Wir haben es dann aber nochmals überarbeitet und erst jetzt veröffentlicht.
Wie oft haben Sie gezweifelt, ob Sie das Buch wirklich veröffentlichen möchten?
Der Zweifel bleibt. Das ist wie bei Divertimento. Wenn wir ein neues Programm schreiben, wissen wir zu Beginn auch nicht, ob wir das dann wirklich auf die Bühne bringen. Und je näher die Veröffentlichung des Buches kam, umso mehr habe ich mich gefragt, ob ich das wirklich machen soll und ob es das Richtige ist. Jetzt kann ich nicht mehr zurück und bin froh, dass es endlich draussen ist. Denn das Allerheiligste preiszugeben, braucht sehr viel Mut.
Was wollen Sie mit dem Buch erreichen?
Es ist nicht so, dass ich eine Message rüberbringen will. Das Wichtigste ist schon passiert: Dank des Buchs bin ich ein anderer Mensch geworden. Auch bei denjenigen Menschen, denen ich es zum Lesen gegeben habe, hat es etwas ausgelöst. Und das freut mich natürlich.
Wie haben die Protagonisten, die im Buch vorkommen, reagiert?
Ich hatte Angst vor deren Reaktion. Ich wollte auf keinen Fall das Leben von mir nahestehenden Leuten in der Öffentlichkeit zerrupfen. Deshalb habe ich die Geschichten mit meiner Mutter, meinem Bühnenpartner Manu Burkart und meinem Mann mehrmals gegenlesen lassen. Natürlich mussten sie ihr Einverständnis geben, dass es an die Öffentlichkeit gelangt. Wenn ich verurteilt werde, ist das schlimm. Wenn jemand, der im Buch vorkommt, verurteilt wird, würde mir das sehr leid tun.
Welche Reaktionen haben Sie allgemein auf das Buch erhalten?
Ich habe es im Vorfeld zehn Leuten zum Lesen gegeben. Die Reaktionen sind unterschiedlich ausgefallen. Einige fühlten sich vor den Kopf gestossen, weil sie dachten, ich sei ein aufgestellter Mann, dem alles in den Schoss fällt. Und viele fanden Parallelen zum eigenen Leben – sei es die Beziehung zum Vater, dass man es dem Partner und allen anderen recht machen will, dass man nicht glücklich ist im Job, dass man auf der Suche ist oder das Outing. Das Buch löst bei allen etwas anderes aus, was ich nie erwartet hätte.
Sie waren so tief unten, dass Sie sich 2012 von selbst in eine Klinik einweisen liessen.
Kann man das als Wendepunkt in Ihrem Leben bezeichnen? Es gibt verschiedene Wendepunkte: der Austritt aus der Freikirche, das Lehrerseminar in Zug, mein Outing, die Auszeit im Kloster nach einem Streit mit meinem Mann oder der Streit mit Manu, der 2017 fast zum Aus von Divertimento geführt hatte. Einer der grössten ist aber sicherlich derjenige, als ich 2012 in die Klinik nach Bad Birnbach ging, weil ich mir eingestanden hatte, dass ich Hilfe brauche. Und das Buch ist ein weiterer.
Das ganze Interview erschien im March Anzeiger und Höfner Volksblatt vom 20. September 2021. Abonnentinnen und Abonnenten können es im E-Paper-Archiv der beiden Zeitungen nachlesen.