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06.01.2021

«Die Fasnacht ist wie Weihnachten, man kann sie nicht abschaffen»

Am Dreikönigstag beginnt traditionell die Fasnacht. Ferdinand Kälin, Präsident der Vereinigten Höfner Fasnachtsgesellschaften, und ­Florian Hüppin, Vorsitzender des Narrensymposiums der Märchler Fasnachts­gesellschaften, sind zuversichtlich, dass diese trotz Corona stattfindet.

mit Florian Hüppin
und Ferdinand Kälin
sprach Irene Lustenberger

Hand aufs Herz: Wann war Ihnen bewusst, dass die Fasnacht 2021 nicht wie gewohnt durchgeführt werden kann?

FERDINAND KÄLIN: Am Fasnachtsdienstag 2020. Einige Gruppen planten bereits für -dieses Jahr, viele Leute waren aber verunsichert. Auch ich hatte ein ungutes Gefühl, ob die grösseren Anlässe stattfinden können. 

FLORIAN HÜPPIN: Ich war eher Optimist und dachte Mitte September noch, dass man die Fasnacht unter gewissen Schutzkonzepten durchführen kann. Wir hatten auch bereits erste Sitzungen. Aber im Oktober, als wir die GV der Ryffe-Lüt Wangen hatten, dachten wir, dass es schwierig wird. Ende November war dann definitiv klar, dass es keine normale Fasnacht geben wird.

Mit dem Einschellnen und der Narrenfahrt würde heute die Fasnacht beginnen. Was machen Sie?

HÜPPIN: (lacht) Die Fasnacht wird trotzdem starten. Es ist wie Weihnachten, man kann sie nicht abschaffen. In einigen Märchler Dörfern wird man sicher Dekorationen sehen. Die Frage ist, wie das Einschellnen über die Bühne geht. Vielleicht merkt die Bevölkerung etwas, vielleicht auch nicht. Einige Dörfer haben die Fasnacht komplett abgesagt, einige vorerst nur bis Ende Januar. Wir haben auch das Narrensymposium verschoben. Dieses wird nachgeholt, sobald es möglich ist, dass sich 150 Personen treffen dürfen.

KÄLIN: Ich bin gespannt, was die Höfner Fasnachtsgesellschaften in Sachen Kreativität bieten. Bei uns wurde vieles abgesagt. Aber es wird sicher etwas stattfinden, natürlich unter Einhaltung der Vorgaben. 

Sie sind also beide zuversichtlich, dass es auch in diesem Jahr eine Fasnacht geben wird.

HÜPPIN: Ehrlich gesagt, hoffe ich auf spontane Anlässe. Die Fasnacht steht auch für das Spontane und dass man innerhalb weniger Tage etwas auf die Beine stellt. Und das Programm der Hauptfasnacht steht ja, das Problem ist die Grösse und die Organisation.

KÄLIN: Die Vereine untereinander sind sehr aktiv und kommunizieren miteinander. Wir bekommen teilweise nicht alles mit. Vor allem die Jungen wollen eine Fasnacht, da sie zurzeit ja sonst nichts machen können. 

HÜPPIN: Leider sind ja jetzt auch die Restaurants zu. Das war der letzte Zweig, den wir Fasnächtler hatten. Wir überlegen uns jetzt, anstatt der Kinderfasnacht Schulen zu besuchen und die Fasnachtsfiguren vorzustellen – immer unter der Voraussetzung, dass das die Schulleitung will. So kann man den Kindern die Fasnacht trotzdem näher bringen. Jede Krise bietet auch eine Chance. Im September war die Lage so, dass wir sagten: «Wir können schon etwas machen»; jetzt ist die Lage so, dass wir sagen: «Wir versuchen, unter Einhaltung der Auflagen etwas zu machen.»

KÄLIN: Das Wollerauer Hexenblatt wird an alle Haushalte in der Gemeinde
verschickt.

HÜPPIN: In der March geben einige Dörfer einen Fasnachtsführer heraus, andere nicht. 

  • Florian Hüppin ... Bild: zvg
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  • ... und Ferdinand Kälin sind zuversichtlich, dass unter Einhaltung der Auflagen eine Fasnacht möglich ist. Bild: zvg
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Was genau ist Ihre Aufgabe als Vorsitzende der Märchler respektive Höfner Fasnachtsgesellschaften?

KÄLIN: Wir koordinieren die verschiedenen Anlässe und lösen organisatorische Probleme. Wir sind die Dachorganisation und informieren die Präsidenten der verschiedenen Dörfer. Diese wiederum besprechen sich mit den Vereinen.

HÜPPIN: Meine Aufgabe ist dieselbe. Aber die March hat mehr Fasnachtsvereine, insgesamt 38. Zudem wird der Narrenbus durchs Märchler Narrensymposium organisiert. In diesem Jahr fährt er nicht, weil das Schutzkonzept nicht eingehalten werden könnte. Ein Ziel des Symposiums ist zudem, die Märchler Fasnacht noch weiter in die Schweiz hinaus zu tragen.

Sie hatten also nicht weniger zu tun als in den Vorjahren?

KÄLIN: Nein, überhaupt nicht. Man hat ständig mit der Fasnacht zu tun. Mal eine Mail von dem, dann ein Anruf von dem. 

HÜPPIN: Auch bei mir lief der Draht von August bis November heiss, und ich hatte viele Anfragen der Vereine, die wissen wollten, was man machen kann und was nicht.

KÄLIN: Die Fasnachtsvereine aus March, Höfen und Einsiedeln waren übrigens die ersten, die in Schwyz nachgefragt haben, was wir zu tun haben. 

HÜPPIN: Das war Mitte September,  und da haben wir noch an die Fasnacht geglaubt. Nicht an die Grossanlässe, aber an kleinere bis 300 Personen. 

KÄLIN: Das hat uns gezeigt, wie gut das Konstrukt Fasnacht funktioniert. Sobald etwas ansteht oder etwas los ist, sind alle dabei.

Ob mit oder ohne Fasnacht – Ausgaben haben die Vereine trotzdem. Werden diese entschädigt?

HÜPPIN: Beim Narrensymposium schlagen die administrativen Ausgaben, die Werbeausgaben von letztem Jahr und die Kosten für den Narrenbus zu Buche. Wir erheben einen Mitgliederbeitrag. Bei den einzelnen Vereinen kann sich wohl jeder ausrechnen, was es bedeutet, wenn man zwar Ausgaben, aber keine Einnahmen hat. Viele Vereine können das mit dem Eigenkapital auffangen. Aber die Ryffe-Lüt haben noch 200 Liter Schnaps vorrätig (lacht). Was speziell ist: Die Fasnacht untersteht dem Schweizerischen Musik- und Gesangsverein, und wir hätten aus diesem Topf Gelder beantragen können. Dafür hätten wir aber das ganze Vereinsvermögen und die durchschnittlichen Einnahmen der vergangenen fünf Jahre auf den Tisch legen müssen. Ich weiss, dass das ein Verein in der March gemacht hat und mehrere Tausend Franken erhalten hat. 

KÄLIN: Die laufenden Kosten sind das eine, schlimmer ist es, wenn ein Anlass abgesagt werden muss, für den man schon viele Ausgaben getätigt hat. Deshalb wurde zum Beispiel der Höfner Bezirksumzug in Schindellegi schon Monate im Voraus abgesagt. Freienbach ist jetzt in der Planung fürs nächste Jahr. 

Ferdinand Kälin, Sie sind mit Leib und Seele Fasnächtler. Nicht-Fasnächtler verstehen die Faszination nicht. Was entgegnen Sie denen?

KÄLIN: Das Wesen der Fasnacht ist, verkehrte Welt zu spielen und sich ausleben zu können. Das ist wichtig, gerade in unserer «verorganisierten» Zeit, in der jedes Detail reglementiert ist. 

Können Sie sich erinnern, dass jemals ein Anlass oder gar die ganze Fasnacht abgesagt werden musste? 

KÄLIN: Die Fasnacht hat schon manche Krise überlebt, sie wird auch diese überleben. Aus der Chronik habe ich beispielsweise entnommen, dass 1920 während der Spanischen Grippe und 1965 während der Maul- und Klauenseuche die Fasnacht auch nur in reduziertem Rahmen stattfand. 2004 war der Irakkrieg. Ich war nach Silvester dabei, den Maskenbaum für den Höfner Bezirksumzug 2005 in Freienbach aufzustellen. Die Fasnacht war noch nicht eröffnet, da kam ein Telefon von der Presse, die uns fragte, ob wir die Anlässe absagen. In ganz Europa war dies ein Thema. Wir haben die Fasnacht nicht abgesagt.

HÜPPIN: Ich erinnere mich an den Sturm Vivian, der am Chline Zischtig wütete. Das war 1990. Da flogen Ziegel vom Dach des Schulhauses direkt neben den Risotto-Topf der Ryffe-Lüt.

KÄLIN: Wir mussten damals den Umzug der Kinderfasnacht abkürzen. 

Welches ist Ihre schönste Fasnachtserinnerung?

HÜPPIN: Jede Fasnacht war schön. Die kurze ist meistens schöner als die lange (lacht).

KÄLIN: Bei uns in den Höfen war die Fasnacht am schönsten, als es noch Restaurants gab. Da ging man von einem «Spunten» in den nächsten. Mittlerweile gibt es aber leider nicht mehr so viele Restaurants, vor allem in Wilen und Bäch.

HÜPPIN: Ich finde es schön, wenn es ein Fasnachtsdorf gibt und man den Übergang vom Festareal zu den Restaurants praktisch nicht merkt. Was mir zum Beispiel sehr gefallen hat – auch wenn es nicht direkt mit der Fasnacht zu tun hatte –, war das Narrenspiel in Lachen vor ein paar Jahren. Das war etwas Spezielles, das man so schnell nicht nochmals sieht. 

Sind Sie bereits in der Planung für die Fasnacht 2022? 

HÜPPIN: Ja, wir sind dabei, die Termine zu koordinieren, da in diesem Jahr ja die meisten Anlässe abgesagt und aufs nächste Jahr verschoben wurden. Und bei uns in der March gibt es 38 Fasnachtsvereine …

KÄLIN: In den Höfen findet wie erwähnt der Bezirksumzug in Freienbach statt.

Ergänzen Sie zum Schluss bitte den Satz: Ein Jahr ohne Fasnacht …

HÜPPIN: … gibt es nicht. Die Fasnacht ist eine Jahreszeit und kein Anlass. Samichlaus und Weihnachten fanden ja auch statt.

KÄLIN: Dem stimme ich zu.

Irene Lustenberger, Redaktion March24/Höfe24
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