Fünf Jahre lang ist er fest im Sattel gesessen. Nun aber sitzt Oliver Behringer in der Lycka Coffeebar in Meilen und blickt zurück, auf «eine überaus erfahrungsreiche Zeit» und seinen «erfüllten Traum». Denn seine Karriere verlief anders als andere, so wie der Stäfner anders und doch gleich wie jeder Mensch ist. Seit seinem elften Lebensjahr hat er Diabetes, Typ 1. Der Betroffene spricht nicht gerne von einer Krankheit, bezeichnet sie inzwischen vielmehr als Begleiterscheinung.
An den Alltag mit ihr musste sich Behringer gewöhnen, bedeutete sein Diabetes in der Jugend doch oft eine psychische Belastung. Doch mittlerweile ist eben alles anders. Vieles hat der 25-Jährige dem Sport zu verdanken und zufälligen Begegnungen, die ihm Türen öffneten. Zum Radsport, «einer Lebensschule in extrem kompetitiven Umfeld, in dem man brutal an seinen Leistungen gemessen wird.» Dass aus ihm ein Profi werden würde, hätte er sich als Teenager nie erträumt. Sein sportlicher Werdegang soll Ansporn sein für Gleichgesinnte, die mit Insulinpumpen, -pens und Nahrungstabellen durchs Leben gehen müssen. Behringer will ihnen aufzeigen: «Diabetiker können dank der heutigen Möglichkeiten kaum mehr Einschränkungen haben und alles erreichen – wenn sie wollen.» Das ist ihm ein grosses Anliegen.
In Atlanta zum Profi gereift
Angefangen hat sein Aufstieg mit dem Umstieg vom Trialbike auf ein Strassenvelo sowie dem Beitritt in den VC Meilen. Der Rechtsufrige schloss sich zudem dem Nachwuchs des Wetziker Radteams Gadola an, mit dem er erste Rennen auf nationaler Ebene bestritt. An der Tour de Suisse 2011 traf er den Verantwortlichen des damaligen Team Type 1, dem Vorgänger des heutigen Teams Novo Nordisk. «So nahm alles seinen Lauf.» Parallel zu seiner Ausbildung zum Pflegefachmann trainierte Behringer intensiv, schliesslich wurde er 2016 in ein Trainingscamp von Novo Nordisk eingeladen. Der von der gleichnamigen im Gesundheitswesen tätigen Firma gesponserte US-amerikanische Rennstall, in dem lediglich Typ-1-Diabetiker fahren, nahm ihn in seine Jugend- Equipe auf. Von 2017 bis 2019 lebte der inzwischen in Rüti wohnhafte Seebub am Stützpunkt in Atlanta. «Das war ein einmaliges Erlebnis, das mich reifer gemacht hat», schildert er.
Am Ende der Fahnenstange angelangt
Ab 2019 war Behringer dann einer von 17 Profi-Fahrern des Teams Novo Nordisk. Als «normales Protour-Team ohne besonderen Status», beschreibt er dieses. «Es orientiert sich an Athleten, die kein Diabetes haben.» Und die Equipe kann mithalten, auch dank modernster Hilfsmittel. Im Sommer hiess es, sein Vertrag mit Novo Nordisk laufe weiter. Doch mittlerweile hat sich Behringer zum Rücktritt entschieden. Er wurde das Gefühl nicht los, am Ende der Fahnenstange angelangt zu sein. «Mich in diesem Umfeld nicht mehr nach meinen Vorstellungen weiterentwickeln zu können», präzisiert er. Leichter Frust sei während Trainingsfahrten aufgekommen. Deshalb war für ihn klar: «Nochmals zu unterschreiben, nur um sagen zu können, ein weiteres Jahr Radprofi gewesen zu sein – das ist es nicht.»