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Sport
12.11.2021
12.11.2021 11:14 Uhr

Amy Basergas beschwerlicher Weg in die nächste Saison

Amy Baserga schaut im Gespräch auf Erfolge und schwierige Zeiten zurück.
Amy Baserga schaut im Gespräch auf Erfolge und schwierige Zeiten zurück. Bild: Lars Morger
Die Einsiedler Biathletin Amy Baserga steht mitten in den Vorbereitungen für die nächste Saison. In einer kleinen Serie zeigen wir ihren beschwerlichen Weg dorthin. Teil 1: Rückblick und Sommer.

Locker sitzt Biathletin Amy Baserga im Café in Pfäffikon. Einige Monate sind vergangen, seit sie letztmals wettkampfmässig im Einsatz stand. Mit einer gewissen Distanz lässt sich viel leichter auf die vergangene, aufwühlende Saison zurückblicken. Sie muss nicht lange nachdenken, wenn es um die Highlights des letzten Winters geht: «Die Juniorinnen-WM ist immer noch sehr präsent.» Kein Wunder, denn Baserga war die erste Athletin von Swiss-Ski, die auf dieser Stufe zwei Goldmedaillen geholt hat. «Es ist nicht nur der sportliche Erfolg, sondern auch die Tatsache, dass ich mich auf einen Wettkampf gezielt fokussieren kann, auch wenn die Vorbereitungen alles andere als optimal waren.» Die Einsiedlerin hat gelernt, dass sie sich auf den Tag X zusammenreissen und konzentrieren kann. Diese Erkenntnis nimmt sie gerne mit und macht sie stark. Auf jeden Fall schaut sie noch immer gerne diese Videos an. «Ach ja, das war doch etwas richtig Cooles, du hast da etwas geleistet », lacht sie verschmitzt.

Trainings verpasst

Letzte Saison ist sie mit einer verkürzten Vorbereitung nicht ideal in den Winter gestartet. Das scheint sich bei Baserga weiterzuziehen. Auch in diesem Sommer lief einiges nicht optimal. Der Beginn war recht zufriedenstellend für die bald 21-Jährige. «Ich bin ins 9-köpfige Frauenteam gekommen, habe mit Andreas Kuppelwieser und Sandra Flunger super Trainer.» Baserga konnte von guten Trainingseinheiten in Lenzerheide, Martell, Antholz und Oberhof profitieren. Zwar haben sie immer wieder kleine Blessuren an einem vollen Training gehindert, gröberes war aber nicht dabei.

Dann passierte nach zwei Tagen Training in Antholz beim Liegen auf die Schiessmatte das, was sie lange beschäftigt hat: Die Kniescheibe sprang heraus, sie riss sich die Innenbänder und Sehnen am hinteren Oberschenkel. «Ich habe noch 30 Minuten trainiert, dann kamen die Schmerzen.» Sie musste nach Hause, um ein MRI zu machen. «Jetzt ist es schon sieben Wochen her», sagt sie zu diesem Zeitpunkt, viel unangenehme Reha-Arbeit alleine waren das Resultat. Auch nicht gerade förderlich für die Motivation. «Ich kann alles ausser Skating machen, das Knie hält.» Zwar weiss sie das, aber der Kopf hat noch immer nicht das volle Vertrauen in den eigenen Körper. Das macht das Trainieren keineswegs einfach für Baserga. Gerne wäre sie mit den anderen Frauen voll am Trainieren. Sie will nicht immer eine «Extrawurst » im Training, auch wenn ihr diese von den Trainern zugestanden wird. «Es ist nicht schön, hören zu müssen, ‹Baserga macht etwas anderes›.» Jetzt, wo sie neu im Team ist, würde sie gerne voll mitmachen.

Zuerst bekam sie das Ok fürs Velofahren, hatte keine Schmerzen mehr. Endlich raus aus dem Reha-Alltag, freute sie sich. «Gut», sagte sie sich, «ich mache eine coole Bike-Tour.» Das hätte sie besser sein lassen. Sie stürzte auf den Kopf und holte sich eine Hirnerschütterung. Das bedeutete wieder eine Woche Pause, eine Woche lang nichts tun. Dann gings reduziert ins Trainingslager, und einmal mehr diese «Extrawurst». Auch dieses Mal konnte sie nicht voll mitmachen, was sie so gerne getan hätte. Mittlerweile geht es wieder, der Kopf macht mit. «Nun hoffe ich, dass es den ganzen Winter durch genug ist», lacht sie und seufzt.

«Es ist nicht schön zu hören, ‹Baserga macht etwas anderes›.»
Amy Baserga, Biathletin aus Einsiedeln

«Es nervt»

Gibt es in einer solchen Unglücksphase Momente, wo man sich fragt, «warum erneut ich»? «Das nicht unbedingt», erklärt Baserga. «Doch manchmal hat meine Motivation schon ein bisschen gelitten.» Es habe einfach genervt, war etwas trostlos. «Die Reha alleine hat nicht wirklich Spass gemacht.» Darum freut sie sich jetzt um so mehr, dass sie wieder voll mit dem Team mittrainieren kann. Ein Team, das sie mitträgt. In Hochfilzen wird ein weiterer Schliff geholt, auch darauf freut sie sich. Sie ist im Sommer noch nie dort gewesen. Da wird es auch Rennen geben, die Baserga noch nicht mitmachen kann. Allzufest soll sie nach dieser Vorbereitung noch nicht forciert werden.

Sie freut sich auf das Trainingslager im November in Kontiolahti. Dort werden Testrennen stattfinden. Da gilt es für Baserga, sich für die kommenden Weltcuprennen intern im Schweizer Team zu qualifizieren. Denn das soll der nächste Schritt sein. Juniorenrennen gehören mit Ausnahme der WM der Vergangenheit an. Diese Saison will sie bei den Aktiven Fuss fassen, sich an die Weltspitze herantasten. Die WM 2025 in Lenzerheide ist zwar noch einiges weg, aber «das kommt schnell», wie sie sagt. Dazu kommen noch leise Hoffnungen, sich für die kommenden Olympischen Spiele in Peking zu qualifizieren. Das wäre eine willkommene Gelegenheit, wichtige internationale Luft zu schnuppern mit dem Ziel, 2025 an der WM und dann natürlich an den Olympischen Spielen 2026 in Antholz gut vorbereitet zu sein.

«Die Reha hat nicht wirklich Spass gemacht.»
Amy Baserga, Biathletin aus Einsiedeln

Zuerst die Qualifikation schaffen

Baserga ist sich bewusst, dass das Programm «sehr happig» wird. Die Junioren-WM und die Olympischen Spiele sind nur gerade eine Woche getrennt. Auf der anderen Seite macht es den Formaufbau auch einfacher, weil alles nahe beisammen ist. «Sollte ich mich qualifizieren, würde ich nach der Olympiade in China direkt wieder zurück nach Amerika zur Junioren- WM reisen.» Aber zuerst will Amy Baserga die Qualifikation für den Weltcup schaffen. Gibt es da konkrete Vorgaben? «Ich weiss gar nicht so genau», sagt sie nachdenklich. «Ich denke, ich muss einfach unter die besten fünf Biathletinnen der Schweiz kommen.» Das ist aber noch einen Moment entfernt. «Die Trainer werden entscheiden, was richtig ist, was am meisten Sinn macht», vertraut sie.

Würde denn ein Einsatz bei Olympia bereits Sinn machen? «Dieses Jahr ist dazu da, Erfahrungen zu sammeln. Wenn ich in Peking starten könnte, wäre das sicher ‹nice to have›, denn diese gemachten Erfahrungen wären unbezahlbar für die WM 2025 oder Olympia 2026.»

Neues Gewehr in Planung

Die Einsiedlerin ist sich bewusst, dass, um bei den «Grossen» Fuss zu fassen, einiges nötig ist. «Mein Augenmerk in der Vorbereitung hat wegen der geschilderten Umstände auf der Physis gelegen, da konnte ich immer trainieren. Die Balance und andere kleine Sachen, die man sonst nicht so trainieren würde.» Dann beginnen ihre Augen zu leuchten. «Ich baue mir gerade ein neues Gewehr.» In Oberhof macht ihr ein Büchsenmacher ein neues Arbeitsgerät. «Es ist genau gleich wie das, welches ich jetzt schon habe. Einfach leichter und beim Schaft angepasster.» Keine grosse Änderung also, aber ein neues Gewehr gibt einen neuen, psychischen Schub. Sie hat nun die Gewissheit, dass sie ein zweites Gewehr zur Verfügung hat, sollte etwas passieren. Während zehn Tagen wird in Oberhof trainiert und das neue Gewehr laufend an die Athletin angepasst.

Gross an die neue Saison will Baserga anfangs September noch nicht denken, auch wenn die Wettkämpfe schon bald vor der Türe stehen. «Nun ist das Ziel, dass ich im Winter ohne Knieprobleme alles machen kann», gibt Baserga die Marschrichtung vor.

Bald folgt Teil 2: Aktuelles und Ausblick

Franz Feldmann, Redaktion March24 & Höfe24