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Sport
11.11.2021
06.05.2022 15:37 Uhr

Mit Body, Beauty und Bikini zum Titelgewinn

Die Schwyzer Polizistin Patricia von Flüe ist Schweizer Meisterin in der Bodybuilding-Klasse Bikini 35+.
Die Schwyzer Polizistin Patricia von Flüe ist Schweizer Meisterin in der Bodybuilding-Klasse Bikini 35+. Bild: zvg
Patricia von Flüe wurde vor Kurzem Schweizer Meisterin in der Bodybuilding-Kategorie Bikini der über 35-Jährigen. Nun trainiert sie für die in zwei Wochen stattfindende WM in Las Vegas.

Wenn Patricia von Flüe etwas erreichen will, dann kämpft sie hart dafür. Nicht mit unfairen Mitteln, aber mit unbändigem Ehrgeiz. So tat sie dies auch, als sie sich im Jahr 2016 entschied, sich für die Polizeischule anzumelden. «Ich begann intensiv zu joggen, zu schwimmen und löste ein Fitness-Abo.» Sie wollte bei den Prüfungen nicht nur gut sein. «Ich wollte die Beste sein, um auf ganzer Linie überzeugen zu können.» Als die Richterswilerin ihr Ziel erreicht hatte, wandelte sich ihr leistungsorientierter in einen eher optischen Fokus. Und so kam es, dass die Polizistin im Sommer 2018 aus dem Bauch heraus entschied, auf einen Bodybuilding-Bikini- Wettkampf hin zu trainieren.

«Anders zu sein, muss nichts Schlechtes sein.»
Patricia von Flüe, Bodybuilderin

«Es ist meine Passion»

«Mir war von Anfang an klar, dass ich meine Ziele ohne Doping erreichen wollte», so von Flüe. Es sei unglaublich, was auch ohne Doping möglich sei. Es brauche dafür aber viel mehr Zeit und Geduld. Deshalb kam für sie nur der Wettkampf bei der Swiss Natural Bodybuilding and Fitness Federation (SNBF) im Oktober 2020 infrage. «Ich begann, mich akribisch genau an einen Ernährungsplan zu halten und nach einem genauen Plan zu trainieren.» Das Essen abzuwägen war und ist für sie kein Müssen. Auch das Verzichten auf diverse Nahrungsmittel stört sie wenig und die fünf Mal pro Woche im Fitnesscenter geniesst sie. «Ich liebe es – es ist meine Passion.» Natürlich sei es zu Beginn für viele Arbeitskollegen wohl schon eher befremdend gewesen. «Ich habe stets mein eigenes Essen dabei, laufe mit einer kleinen Waage im Rucksack herum und konsumiere praktisch nie etwas auswärts», schildert sie ihre «Macken». Mit der Zeit hätten sich ihre Arbeitskollegen aber an sie gewöhnt. «Anders zu sein muss schliesslich nichts Schlechtes sein.»

«Mir war von Anfang an klar, dass ich meine Ziele ohne Doping erreichen wollte.»
Patricia von Flüe, Bodybuilderin

Trainieren bei -15 Grad

Trotz aller Vorbereitungen platzte ihr Traum vor rund einem Jahr, als sie mit Schmerzen in der Brust zum Arzt musste. Diagnose: Tietze Syndrom. «Ich musste über drei Monate komplett pausieren, durfte nur leicht spazieren», erzählt die Bodybuilderin. Dass in der Zwischenzeit auch der Wettkampf coronabedingt abgesagt worden war, war trotzdem nur ein kleiner Trost für die ehrgeizige Athletin. Sie gab nie auf und glaubte jeden Tag daran, dass sie wieder gesund werden würde. Und tatsächlich: Im Dezember 2020 – pünktlich zur Schliessung der Fitnesscenter – durfte von Flüe wieder mit leichtem Gewichtstraining beginnen. «Ich richtete mir zu Hause ein Gym ein und konnte in der Scheune eines Kollegen mit meinem Freund zusammen ein weiteres aufbauen. Dort traininerten wir bei -15 Grad an der Beinpresse und liessen uns durch nichts von unserer Leidenschaft abbringen.» Die Zeit ohne Training erachtet sie im Nachhinein als konstruktive Pause. «Ich habe mich nicht körperlich, sondern persönlich stark weiterentwickeln können, was mich meinem Traum ebenfalls einen Schritt näher brachte.»

Patricia von Flüe (m.) ist Schweizer Meisterin im Bodybuilding. Bild: www.quejaytee.com Photography

Erster Wettkampf, erster Sieg

Dass sie am vorletzten Wochenende den Schweizer Meistertitel gewonnen hat und den Pokal in den Händen halten konnte, kann sie Tage später noch immer nicht fassen. «Es ist grossartig. So viel Schweiss, Tränen und Disziplin habe ich in meinen Traum reingesteckt – und jetzt ist er tatsächlich wahr geworden.» Und nicht nur das: Mit dem Titelgewinn sicherte sich die Newcomerin auch gleich noch das Ticket für die WM vom 20. November in Las Vegas. «Der WM-Titel in der Klasse Bikini zu holen, wäre ein weiterer, wahnsinniger Höhepunkt», gibt sie zu. Ob sie Chancen hat, kann sie nicht einschätzen. Sie freut sich auf die Reise mit den anderen Erstplatzierten des SNBF – ihre Trainerin Belinda Achermann und mit Freund Franz Lustenberger, ebenfalls Bodybuilder. «Er wurde im Jahre 2019 Schweizer Meister in der Bodybuilding Klasse Schwergewicht, holte sich den Gesamtsieg an der SNBF 2019 und wurde im selben Jahr Amateur-Weltmeister in New York. Er gewann dadurch eine Profikarte und wird dieses Jahr, ebenfalls in Las Vegas, an den Weltmeisterschaften der Profis starten », erzählt sie sichtlich stolz von seinen Erfolgen.

Patricia von Flüe und Freund Franz Lustenberger feiern den Gewinn des Schweizer Meistertitels. Bild: zvg

Kein Problem mit Vorurteilen

Obschon sie beide als Bodybuilder tolle Erfolge verbucht haben, bleiben die Vorurteile «Bodybuilder sind dumm und nehmen Doping». Ob sie dies nicht ärgert? «Nein, überhaupt nicht. Was andere sagen, lässt mich in der Regel kalt. Ich gehe meinen Weg, unabhängig davon, was andere davon halten», sagt sie und betont: «Menschen glauben sowieso, was sie wollen. Wer sich ernsthaft für mich und meinen Sport interessiert, der wird merken, dass an den Vorurteilen nicht viel dran ist.»

Silvia Gisler, Redaktion March24 & Höfe24