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28.08.2021

«Die Situation sieht nicht gut aus»

Die steigenden Corona-Fallzahlen sind nach den Sommerferien wieder ein grosses Thema.
Die steigenden Corona-Fallzahlen sind nach den Sommerferien wieder ein grosses Thema. Bild: Keystone
Didier Naon, Chefarzt Anästhesie und Intensivmedizin am Spital Schwyz, erwartet angesichts der steigenden Zahl von Covid-Patienten einen schweizweiten Engpass an Intensivpflegebetten. Wie ist die aktuelle Lage in Schwyz?

Die steigenden Corona-Fallzahlen sind nach den Sommerferien wieder ein grosses Thema. Wie dramatisch ist die Situation aktuell in der Intensivstation im Spital Schwyz?

Auf unserer Sechs-Betten-Intensivstation betreuen wir zurzeit drei Covid-Patienten. Alle benötigen intensive Unterstützung durch Beatmungsgeräte. Auf den Bettenstationen liegen weitere vier Corona-Patienten mit Lungenentzündungen und hohem Sauerstoffbedarf.

Wo stehen wir im Vergleich zu den vergangenen Monaten?

Im letzten Dezember und Januar hatten wir eine grosse Auslastung und Belastung mit jeweils bis zu 30 Corona-Patienten hier in unserem Spital. Auf der Intensivstation befanden sich gleichzeitig maximal vier Patienten mit Beatmungspflicht. Ab Mitte Januar nahm die Anzahl Corona-Patienten langsam, aber kontinuierlich ab bis Mitte Juni. Dann war es für mehrere Wochen relativ ruhig. Es waren aber weniger als 20 Tage im Jahr 2021, an welchen kein einziger Covid-Patient im Spital lag. In den vergangenen zwei Wochen mussten wir einen eindeutigen Anstieg der Fallzahlen feststellen.

Was bedeutet diese Entwicklung für die nächste Zeit?

Inwieweit die Fallzahlen tatsächlich zunehmen werden, wissen wir natürlich nicht. Bisher konnten wir uns organisatorisch so richten, dass der normale Betrieb aufrechterhalten werden konnte. Aber wir bereiten uns auf längere Hospitalisationszeiten vor. Sollten die Anzahl von stationären Corona-Patienten und die Aufenthaltsdauer stark zunehmen, werden wir sehr bald den normalen Spitalbetrieb einschränken müssen. Das bedeutet, dass geplante Operationen, wie zum Beispiel ein Gelenksersatz oder nicht notfallmässige Operationen von anderen Patienten, zurückgestellt werden müssten.

Befürchten Sie, dass es schweizweit zu einem Engpass an Intensivpflegebetten kommt?

Ja, das erscheint zum heutigen Zeitpunkt durchaus realistisch. Es ist nicht nur ein Engpass an Intensivpflegebetten zu erwarten, sondern es ist auch mit Restriktionen in der medizinischen Versorgung überhaupt zu rechnen.

In der Anfangsphase der Pandemie wurden vor allem ältere Menschen von der Krankheit stark getroffen. Was können Sie jetzt über die Covid-Patienten sagen?

Im Gegensatz zu den Vorepisoden sind die aktuellen Patienten jetzt deutlich jünger, sie sind zwischen 35 und 60 Jahre. Und sie erkranken schwerer. Die meisten Patienten haben sich in den Ferien infiziert oder bei Grossanlässen. Oder sie wurden von Familienangehörigen, welche im Ausland weilten, anschliessend infiziert. Alle unsere aktuellen stationären Patienten sind nicht geimpft.

Sie erwähnen es: Offensichtlich wirkt die Impfung gut gegen schwere Verläufe. Haben Sie Verständnis für Menschen, die sich nach wie vor nicht impfen lassen wollen?

Nein. Eine Impfung trägt zur eigenen Sicherheit bei vor schwerem Krankheitsverlauf und ist auch ein Akt der Solidarität. Jede und jeder kann mit dieser Massnahme im Kampf gegen diese Pandemie einen Beitrag leisten.

Rund 60 Prozent der Bevölkerung müssten sich impfen lassen, um eine Herdenimmunität zu erreichen. Davon sind wir noch weit entfernt. Warum diese Skepsis?

In meiner Tätigkeit auf der Intensivstation habe ich immer wieder erlebt, dass die Patienten und ihre Angehörigen die Meinung zu Impfung und Massnahmen radikal geändert haben. Covid-19 ist eben nicht einfach eine banale Grippe. Verständnis für etwas Neues hat viel mit Information zu tun. Bezüglich Impfung wird auch viel Falsches mitgeteilt. Die meisten Personen, die sich nicht impfen lassen, haben vor allem Bedenken oder Angst. Im Moment gibt es wirklich keine wissenschaftlichen Fakten, die gegen eine Impfung sprechen.

Wie ist die Stimmung beim Personal nach all den Monaten der herausfordernden Pflegearbeit von Covid-Patienten?

Eine gewisse Müdigkeit ist sicher vorhanden. Zum Glück haben wir bis jetzt einen guten Teamgeist. Es sind noch keine Kündigungen erfolgt, welche auf die intensive Belastung in der Pandemie zurückzuführen sind. Aber das kann sich noch ändern. Ein wichtiger Faktor dürfte die Meinung der Öffentlichkeit darstellen, welche mit kritischen und zum Teil unverständlichen Argumenten die aktuelle Situation nicht wahrhaben will oder beschönigt. Das belastet uns alle im Spital, es gibt zunehmend weniger Verständnis und nagt an der Motivation.

Der Bundesrat will Corona-Tests für Ungeimpfte ohne Symptome kostenpflichtig machen. Finden Sie das eine gute Idee?

Als Argument für eine Impfung taugt die Massnahme aus meiner Sicht nicht. Jede und jeder muss selber entscheiden, ob er oder sie sich impfen lässt. Aber als Kostenmassnahme finde ich diesen Vorschlag korrekt. Wer selber Kosten verursacht, sollte diese auch selber tragen.

Flurina Valsecchi, Redaktion «Bote der Urschweiz»