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08.08.2021

Immobilienmakler gehen per Telefon auf Häuserfang

Weil der Immobilienmarkt derzeit sehr ausgetrocknet ist, rufen manche Maklerinnen und Makler auf gut Glück Hausbesitzer an.
Weil der Immobilienmarkt derzeit sehr ausgetrocknet ist, rufen manche Maklerinnen und Makler auf gut Glück Hausbesitzer an. Bild: Pixabay
Die Nachfrage nach Eigenheim ist rund um den Zürichsee riesig, das Angebot hingegen winzig. Manche Makler greifen deshalb zu ungewöhnlichen Methoden, um an Häuser zu kommen.

Es ist ein Nachmittag mitten in den Sommerferien, als das Telefon klingelt. «Sind Sie Frau Brunner*?», will der unbekannte Anrufer wissen. «Und sind Sie Besitzerin der Liegenschaft, in der Sie wohnen?» Überrumpelt beantwortet die Angerufene beide Fragen mit Ja. Die Situation ist der Frau unangenehm, zumal sie im Hintergrund ein Stimmengewirr wahrnimmt.

Dann endlich lässt der Mann die Katze aus dem Sack. «Wären Sie an einer kostenlosen Schätzung oder einem Verkauf ihrer Liegenschaft interessiert?»

Informationen vom Grundbuchamt

Das geschilderte Gespräch hat sich letzte Woche in einer Gemeinde im Bezirk Meilen ereignet. Die Hauseigentümerin hatte zuvor weder irgendwo inseriert noch mit dem Gedanken gespielt, die Liegenschaft zu verkaufen. Woher also hatte das Maklerunternehmen ihre Daten?

Ein Anruf bei der betreffenden Immobilienfirma aus Zürich, die anonym bleiben will, schafft Klarheit. «Wir beziehen unsere Informationen vom Grundbuchamt, das ja öffentlich ist», sagt ein Immobilienvermittler. Tatsächlich tätige sein Unternehmen solche Anrufe bei unbekannten potenziellen Kunden, in der Fachsprache «Kaltakquise» genannt. Ein Problem sieht der Mann darin nicht, «auch wenn die Praxis als umstritten gelten kann». Es komme darauf an, wie man an die Leute herantrete, findet er. «Wir gehen keinesfalls aggressiv vor.»

«Wir drängen niemanden»

Die «Telefonmethode» kommt gemäss dem Immobilienvermittler dann zum Zug, «wenn jemand in einer bestimmten Region etwas sucht, aber nichts auf dem Markt ist». Hinterbliebene aufgrund einer Todesanzeige kontaktieren oder an Haustüren klingeln, um zum Ziel zu kommen – wie es andere Makler teils machen –, so was komme hingegen nicht infrage. «Wir führen einzig freundliche Telefonate.»

Und wie reagieren die unfreiwillig angerufenen Hausbesitzer? Er habe nicht das Gefühl, dass der Anruf sie verärgere. «Wir drängen ja niemanden zum Immobilienverkauf.»

Occasionsgeschäft hat sich verschärft

Für Willi Mösli käme ein solches Vorgehen nicht infrage. Er ist Inhaber und Geschäftsführer der Hasler & Partner Immobilien GmbH in Männedorf. Das Maklerunternehmen ist auf Immobilien rund um den Zürichsee und im Zürcher Oberland spezialisiert. «Wir rufen keine Hauseigentümer an, um möglichst schnell an Liegenschaften zu kommen», sagt er. Sein Geschäft sei auf Langfristigkeit und persönliche Beziehungen ausgelegt. «Manchmal warten wir acht Jahre lang, bis ein Hausbesitzer uns seine Liegenschaft zum Verkauf überlässt.» Ganz passiv in Sachen Kundenakquirierung bleibt das Männedörfler Unternehmen aber nicht. «Wir verteilen ab und zu Flyer in die Briefkästen mit dem Angebot einer kostenlosen Hausschätzung.»

Die Firma Hasler & Partner ist Mitglied der Schweizerischen Maklerkammer (SMK), des laut eigenen Angaben grössten unabhängigen Netzwerks von professionellen Immobilienmaklern der Schweiz. Das Netzwerk verlangt von seinen derzeit rund 100 Mitgliedern bestimmte Qualitätsstandards. Dazu zählt: Kaltakquisen sind tabu. «Unsere Mitglieder erhalten die meisten Mandate aus ihrem persönlichen Beziehungsnetz sowie durch Empfehlungen», sagt Präsident Ruedi Tanner.

Grosser Konkurrenzkampf

«Im Vergleich zum Vorjahr sind derzeit je nach Objekt-Art bis zu 40 Prozent weniger Kaufimmobilien auf dem Markt», berichtet Willi Mösli. Gemäss seinen Beobachtungen hat das zum Teil damit zu tun, dass ältere Leute seit der Corona-Pandemie so lange wie möglich in ihren Liegenschaften wohnen bleiben, aus Angst vor Kontaktbeschränkungen im Altersheim. Die Nachfrage nach Eigenheimen hingegen ist ungebrochen hoch, der Konkurrenzkampf unter den Maklern ebenfalls. Willi Mösli erzählt von Konkurrenten, die bei seinen Kunden an der Haustür geklingelt hätten, um sie zu einem Mandatswechsel zu überreden.

*Name geändert.

Mirjam Bättig, Zürichsee Zeitung