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Kanton
03.07.2021
01.07.2021 17:01 Uhr

René Baggenstos: «Am Schluss bleibt das Gefühl eines verpassten Jahres»

René Baggenstos: «Aus ‹Gwunder› klärte ich ab, ob ich ein Jahr anhängen dürfte.»
René Baggenstos: «Aus ‹Gwunder› klärte ich ab, ob ich ein Jahr anhängen dürfte.» Bild: Erhard Gick
Das Amtsjahr als Kantonsratspräsident von René Baggenstos ging vergangene Woche zu Ende. Im Interview zieht er Bilanz über ein ganz spezielles Jahr.

Ihr Präsidialjahr im Kantonsrat ist zu Ende. Wie ist die Gefühlslage?

Es ist speziell. Einerseits dauerte das Jahr lange, wegen der Corona-Pandemie ist extrem viel gelaufen. Es war ein verrücktes Jahr. Andererseits muss ich auch sagen: Am Schluss bleibt auch das Gefühl eines verpassten Jahres.

Sie waren vermutlich der erste Präsident, der keine Sitzung im Kantonsratssaal leiten durfte.

Wir haben nur die Ratsleitungssitzungen im Kantonsratssaal abgehalten. Die Sessionen fanden aber durchwegs im MythenForum statt. Ich gab mir an einer Ratsleitungssitzung auch einen Ruck und setzte mich kurz auf den Präsidentensitz. Nur, damit ich wenigstens einmal auf diesem Stuhl gesessen bin.

Kommt deshalb das Gefühl eines verpassten Jahres auf?

Ja und nein. Grundsätzlich hat man als Kantonsratspräsident zwei Aufgaben. Zum einen, dass die Ratssitzungen sauber und richtig geleitet werden. Zum anderen kann man in diesem Jahr den Kanton an vielen Anlässen repräsentieren. Weil fast nichts mehr stattfinden konnte, fielen diese schönen Repräsentationsaufgaben nahezu alle weg. Da hätte man Leute treffen, netzwerken, Botschaften platzieren können. Das hätte ich sehr gerne gemacht, aber es ging leider nicht. Das ist schade.

Könnten Sie nicht nochmals ein Jahr anhängen? Würden Sie dies wollen?

Aus «Gwunder» klärte ich das tatsächlich einmal mit dem Staatsschreiber ab. Ich wollte wissen, ob das möglich wäre.

Und?

Vom Gesetz her kann man nicht zweimal aufeinanderfolgend das Ratspräsidium innehaben,selbst wenn man das wollte. Aber man könnte sich erneut aufstellen lassen als Stimmenzähler. Dann wäre man turnusgemäss in ein paar Jahren wieder an der Reihe. Das will ich jedoch nicht.

«Der Livestream der Kantonsratssession wird in wenigen Jahren Standard sein.»
René Baggenstos

Was war abgesehen von Corona für Sie das Wichtigste im Schwyzer Politikjahr2020/21?

Als Präsident fokussiert man sich weniger auf die Geschäfte, sondern dass der Rat richtig funktioniert. Das bleibt mir in Erinnerung. Wie bringe ich 100 Leute dazu, dass sie gut arbeiten können? Ich habe deshalb auch immer wieder für Auflockerungen gesorgt. Die Balance zu finden zwischen akzeptablem und nicht tolerierbarem Verhalten, fand ich höchst spannend. Speziell war, dass im MythenForum auch Livestreams der Ratssitzungen möglich wurden. Die Kantonsräte, welche vorher noch skeptisch waren, nahmen dies mit Begeisterung auf.

Bleibt der Livestream im Angebot?

Das denke ich. Diese Meinungsänderung im Parlament fand tatsächlich statt. Die Kantonsratsmitglieder realisierten, dass es rund 500 Leute waren, welche die Debatten jeweils live verfolgen wollten. Man ist nicht mehr so ängstlich gegenüber dieser Transparenz. Aber man will, dass eine gute Übertragungsqualität garantiert ist.

(...)

Als Kantonsratspräsident haben Sie für eine Neuerung gesorgt. Gemäss ungeschriebenem Gesetz soll der Präsident sich zurücknehmen und nicht aktiv in die Politik eingreifen. Sie haben wegen der privaten Mittelschulen gleich zwei Initiativen lanciert. Gab es keine Kollegenschelte deswegen?

Das war tatsächlich eine spezielle Situation. Rechtlich gibt es aber nichts dagegen einzuwenden, weil es sich wirklich nur um ein ungeschriebenes Gesetz handelt. Ich habe mich als Präsident bewusst zurückgenommen. Ich machte in keinen Komitees mit, gab keine Stimmempfehlungen ab und reichte keine parlamentarischen Vorstösse ein.

 

(...)

Sie müssen nun wieder ins zweite Glied zurück und werden wieder ein «einfacher» Kantonsrat sein. Haben Sie keine Mühe damit?

(Lacht) Nein, im Gegenteil. Ich darf wieder mitreden und mitentscheiden. Ich darf endlich wieder abstimmen. Wer Präsident wird, weiss: Es ist für ein Jahr, und dann ist es vorbei. Das ist das Schöne am Schweizer System. Da gibt es nichts zu bedauern.

Was würden Sie in der Politik im Kanton Schwyz ändern, wenn Sie nicht Kantonsratspräsident, sondern König oder Alleinherrscher wären?

Da gäbe es schon Ideen. Ich bin ein liberaler Mensch. Ich wäre für Marktöffnungen. Mich stören Monopole, ich bin für Wettbewerb. Auch in der Familienpolitik würde ich Änderungen einbringen. Es ist wichtig, dass die Frauen arbeiten können und dass Familie und Job unter einen Hut gebracht werden können.

Jürg auf der Maur, Einsiedler Anzeiger
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