Home Region Sport Agenda Schweiz/Ausland Magazin
Freienbach
13.04.2021
06.05.2022 15:35 Uhr

Rekrutin Stocker: «Frauen sollen nicht bevorzugt werden»

Svenja Stocker ist froh, dass sie sich für die Rekrutenschule entschieden hat. Auch wenn sie dort merkt, dass ihre Entscheidung nicht alle verstehen. «Man weiss als Frau, dass es schwierige Situationen geben kann, damit muss man umgehen können.»
Svenja Stocker ist froh, dass sie sich für die Rekrutenschule entschieden hat. Auch wenn sie dort merkt, dass ihre Entscheidung nicht alle verstehen. «Man weiss als Frau, dass es schwierige Situationen geben kann, damit muss man umgehen können.» Bild: Lars Morger
Die 19-jährige Svenja Stocker aus Freienbach besucht derzeit die Rekrutenschule in Chur. Im persönlichen Gespräch spricht sie über ihren Entscheid, über Vorurteile und dumme Sprüche.

Warum hast du dich fürs Militär entschieden – für Frauen ist es ja keine Pflicht. 

Ein Grund ist, dass ich weg wollte von meinem alten Beruf. Den ganzen Tag im Büro zu sitzen, gefiel mir irgendwann nicht mehr so. Ich möchte
später gerne die Polizeischule machen, da lag die Militärausbildung nahe. Mein Traum ist es, bei der Kriminalpolizei zu arbeiten, das finde ich sehr spannend. Ein weiterer Grund ist, dass ich der Meinung bin, auch Frauen sollten einen Dienst an die Gesellschaft leisten.

Welche Bedeutung hat für dich die Schweizer Armee?

Kameradschaft und Zusammenhalt. Man lernt sehr viel in der Armee.

Wie hat dein Umfeld auf deinen Entscheid reagiert?

Meine Familie und meine Freunde waren überrascht, haben mich aber immer unterstützt in meiner Entscheidung. 

Mit welchem Gefühl bist du in der Rekrutenschule gestartet – war da auch etwas Respekt dabei?

Ich hatte ganz sicher Respekt, denn es ist etwas völlig anderes als das KV. Eine völlig neue Herausforderung. 

Bereust du es nicht?

Nein, gar nicht. Ich bin sehr froh, dass ich dies so für mich entschieden habe.

Bist du froh, dass du nicht die Home-Office-RS machen musst?

Ja, sehr. Ich war schon davor immer im Home-Office, das hätte ich jetzt nicht noch länger haben müssen. 

«Ich bin der Meinung, auch Frauen sollten einen Dienst an die Gesellschaft leisten.»
Svenja Stocker, 19

Mit wie vielen Frauen teilst du dein Zimmer?

Wir haben alle ein Einzelzimmer, wir sind auch nur etwa eine Handvoll Frauen hier.

Verstehst du dich mit allen gut?

Ich verstehe mich mit den meisten gut, aber natürlich gibt es immer welche, mit denen man nicht so gut auskommt, aber das gibt es überall. 

Gibt es Vorurteile bei den Kameraden, Unteroffizieren oder Offizieren gegenüber Frauen im Militär?

Es gibt sicher Vorurteile. Es gibt welche, die es einfach nicht verstehen können, aber das legt sich mit der Zeit. Man weiss als Frau, dass es schwierige Situationen geben kann, damit muss man umgehen können.

Wie hast du die ersten zwei Wochen erlebt?

Es war sehr streng. Alles war neu – die Leute, die Situation. Das war eine rechte Umstellung. Körperlich bin ich auch an meine Grenzen gekommen. Während der KV-Lehre sass ich den ganzen Tag und bewegte mich nicht viel, das ist hier ganz anders.

Rekrutin Svenja Stocker im Gespräch mit Redaktorin Anouk Arbenz. Laut der Höfnerin lassen sich die Coronaschutzregeln auch im Militär gut einhalten – mit Abstand und Maskenpflicht, aber auch mit «Eigenverantwortung». Bild: Lars Morger
«Wenn ein dummer Spruch kommt – einfach abwinken. Oder dann einen dummen Spruch zurückgeben.»
Svenja Stocker, Rekrutin in Chur, Infanterie

Muss man dieselbe Leistung erbringen wie die Männer?

Ja, es gibt keine Ausnahmen für uns Frauen. Wenn es einmal schwieriger ist, helfen einem aber die Kameraden. 

Gibt es trotzdem Unterschiede zwischen Rekruten und Rekrutinnen?

Nein, nur die Zimmer und die Duschen unterscheiden sich, sonst ist
alles gleich.

Wie sieht ein typischer Tag bei dir in der Rekrutenschule aus?

Ich stehe am Morgen früh auf, dann gibt’s erst einmal Zmorge, danach wird das Zimmer aufgeräumt und inspiziert, bevor dann die Ausbildung beginnt. Diese dauert bis zum Nachtessen. Die Übungen unterscheiden sich dabei von Tag zu Tag, es ist sehr abwechslungsreich. 

Hast du eine Lieblingsübung?

Nicht unbedingt. Ich habe jetzt die Fahrer-Ausbildung absolviert, das mache ich sehr gerne. Ansonsten machen mir Schiessübungen viel Spass.

Wie ist das mit den Schutzregeln im Militär – geht das gut mit so vielen Rekruten auf einem Haufen?

Es herrscht immer Maskenpflicht und in der Schlange muss immer Abstand gehalten werden. Bei den Übungen schaut man immer, dass die Schutzregeln eingehalten werden. Am Schluss muss aber jeder Rekrut für sich
schauen, es liegt dann in seiner oder ihrer eigenen Verantwortung. 

Bild: Lars Morger

Die Armee mit Bundesrätin Viola Amherd an der Spitze möchte Frauen im Militär besser fördern. Spürt ihr davon etwas in Chur?

Nein, nicht unbedingt, aber ehrlich gesagt muss es das auch nicht. Ich würde gar nicht wollen, dass Frauen bevorzugt behandelt werden. 

Würdest du es begrüssen, wenn es mehr Frauen hätte in der Armee?

Ja, das wäre sicher lässig. Natürlich ist nicht jede Frau fürs Militär geschaffen. 

Findest du, auch Frauen sollten einen Dienst an die Gesellschaft leisten – auch als Akt der Gleichstellung?

Ja, Gleichberechtigung finde ich wichtig – in beide Richtungen. Die Löhne müssen gleich sein, es sollten beide Geschlechter die gleichen Chancen haben – aber auch dieselben Pflichten. Ich wäre dafür, dass alle einen Dienst leisten müssen, sei dies ein Militär-, ein Zivildienst oder die Arbeit im Zivilschutz. 

Was bedeutet für dich Gleichstellung?

Dass Frauen und Männer dieselben Möglichkeiten und dieselben Löhne haben, dass sie aber auch dasselbe leisten müssen.

Ist Sexismus ein Thema bei euch? Gibt es da eine Anlaufstelle?

Da gibt es eine Anlaufstelle ja, bei
uns ist aber noch nie etwas passiert. Da bin ich froh. 

Wie reagierst du, wenn mal ein dummer Spruch kommt von den Männern?

Entweder einen dummen Spruch zurückgeben oder einfach abwinken. Am Besten ist, man lässt die einfach reden.

Schminken im Militär – geht das?

Ja, natürlich schon, aber mir fällt Besseres ein, als morgens früher aufzustehen, um mich zu schminken. Da nütze ich die Zeit lieber, um mich auszuruhen und länger zu schlafen. Am Ende des Tages sieht es sowieso nicht mehr so aus wie am Anfang.

Svenja Stocker


Geburtsdatum: 6. Sept. 2001

Wohnort: Freienbach

Beruf: Kauffrau

Truppe: Infanterie

Kompanie: Sicherungskompanie

Hobbys: Fitness, Badminton, Freunde treffen

Mein Traumberuf: Kriminalpolizistin

Lieblingsübung im Militär: Schiessübungen und Fahren

Die Schweizer Armee bedeutet für mich: Kameradschaft und Zusammenhalt.

Anouk Arbenz, Redaktion March24 & Höfe24