Home Region Sport Agenda Schweiz/Ausland Magazin
Sport
18.03.2021
22.03.2021 15:24 Uhr

Ein doppelter Strich-Krimi in der National League

Ein Trumpf im Kampf um die Pre-Playoffs: Roman Cervenka (hinten), der Topskorer der SCRJ Lakers, punktet wie am Fliessband, während beim direkten Konkurrenten Ambri-Piotta einige offensive Leistungsträger verletzt fehlen.
Ein Trumpf im Kampf um die Pre-Playoffs: Roman Cervenka (hinten), der Topskorer der SCRJ Lakers, punktet wie am Fliessband, während beim direkten Konkurrenten Ambri-Piotta einige offensive Leistungsträger verletzt fehlen. Bild: Keystone
Schafft es der SC Bern noch in die Pre-Playoffs? Wer liegt am Ende hinter dem zweiten Strich und wer kommt direkt in die Playoffs? Ein Überblick im Quali-Endspurt in der National League.

Die Tabelle lügt nie. Heisst es. Was eigentlich immer gilt, stimmt in diesem Winter in der National League nur bedingt. Wegen ständigen Spielverschiebungen und Quarantänemassnahmen war die Tabelle manchmal so aussagekräftig wie der Wetterfrosch im Konfiglas. Mittlerweile sind die meisten Teams in etwa gleichauf – rechtzeitig für die heisse Schlussphase der Qualifikation. Als einzige Equipe hat Leader Zug die direkte Play-off-Qualifikation bereits auf sicher. Am anderen Ende der Tabelle könnte Langnau rechnerisch noch die Pre-Playoffs erreichen. Aufgrund des Rückstands auf den 10. Platz scheint dies aber kaum realistisch. Und sonst? Eine Übersicht.

Fribourg-Gottéron (2.  Platz, 79 Punkte, Punkteschnitt 1,76)

Killian Mottet ist einer der produktivsten Schweizer Stürmer der Liga. Chris DiDomenico sammelt nicht Strafminuten, sondern Skorerpunkte. Und auch die anderen Import-Spieler Ryan Gunderson, David Desharnais und Viktor Stalberg können Partien im Alleingang entscheiden. Kein Wunder, ist das Gottéron-Powerplay das zweitbeste der Liga (hinter Servette). Christian Dubé ist gelungen, was zuvor viele Trainer in Freiburg nicht schafften: Aus vielen talentierten Einzelspielern ein starkes Kollektiv zu formen. Einziger Schwachpunkt: die Defensive. 133 Gegentore sind der schlechteste Wert in den Top 6.

Genève-Servette (3. Platz, 76 Punkte, Punkteschnitt 1,81)

Linus Omark, Eric Fehr, Daniel Winnik und Henrik Tömmernes – Genf hat neben Fribourg-Gottéron das produktivste Ausländerquartett der Liga. Vor allem die Statistiken von National-League-Rückkehrer Omark sind beeindruckend. Der Schwede macht pro Partie 1,22  Punkte, Ligabestwert. Für viele überraschend: Servette hat den Abgang von Goalie Robert Mayer (zum HC Davos) problemlos weggesteckt. Gauthier Descloux, im vergangenen Winter noch die Nummer 2, spielt eine starke Saison. Den Genfern dürfte die direkte Play-off-Qualifikation kaum mehr zu nehmen sein.

ZSC Lions (4. Platz, 76 Punkte, Punkteschnitt 1,73)

Was ist bloss mit den Lions los? Aus den letzten fünf Spielen gab es nur zwei Punkte, dazu die Niederlage im Cupfinal. Die NZZ fürchtet plötzlich gar um die direkte Play-off-Qualifikation. Genügend Klasse hat der ZSC trotz der verletzungsbedingten Ausfälle einiger Leistungsträger allemal. Sven Andrighetto ist in seiner ersten Saison zurück in der Schweiz die Nummer 1 in Sachen Tore (24). Zuletzt aber war den Zürchern die Verunsicherung anzumerken, vier Mal in Folge kassierten sie mindestens vier Gegentore. Für einen Platz in den Top 6 dürfte es dennoch reichen. Die Lions tun aber gut daran, schnellstmöglich ihr Vertrauen wiederzufinden.

Biel (5. Platz, 74 Punkte, Punkteschnitt 1,64)

Der Rücktritt von Jonas Hiller, die Krebserkrankung von Headcoach Antti Törmänen, zwei Quarantänen gleich in den ersten Wochen sowie die Verletzungen von Leistungsträgern wie Beat Forster oder Damien Brunner – es ist keine einfache Saison für den EHC Biel. Trotzdem sind die Seeländer noch immer im Rennen um einen direkten Play-off-Platz. Oft wechselten sich in den vergangenen Monaten aber Hochs und Tief in beständiger Regelmässigkeit ab. Immerhin: Zuletzt gab es vier Siege. Biel fehlen aber die verlässlichen Skorer. Luca Cunti liegt als produktivster Seeländer auf Rang 24 im Ligaranking. Toni Rajala konnte bisher nicht an seine Leistungen der letzten Jahre anknüpfen.

Lugano (6. Platz, 73 Punkte, Punkteschnitt 1,70)

Dank einem Zwischenhoch im neuen Jahr mit acht Siegen in Serie hat sich Lugano vom ersten Strich distanziert. Auffallend: die starken Special-Teams. Im Boxplay agieren nur die Lions noch effizienter als die Tessiner, die auch im Powerplay zu den Top-Teams der Liga gehören. Und dies, obwohl Lugano in Sachen Effizienz noch Potenzial nach oben hat. Keine andere Mannschaft schiesst öfter auf das gegnerische Tor, dennoch treffen nur drei andere Teams seltener. Eine starke Saison macht Goalie Niklas Schlegel. In Bern wurde der mittlerweile 26-Jährige als nicht Nummer-1-tauglich befunden. Jetzt ist er in Sachen Shutouts (fünf) die Nummer  1 der Liga. Auch darum dürfte es Lugano direkt in die Playoffs schaffen.

Lausanne (7. Platz, 71 Punkte, Punkteschnitt 1,73)

Die dritte Quarantäne hat Lausanne nicht gut getan. Seit der neuerlichen Zwangspause Anfang Februar haben die Waadtländer in 14  Partien 8  Mal verloren (darunter auch einmal gegen das Schlusslicht Langnau) – und verpassten so den Anschluss an die absoluten Spitzenteams. Die direkte Play-off-Qualifikation dürfte trotzdem nur Formsache sein. Erstens, weil Lausanne noch einige Spiele nachzuholen hat, zweitens, weil kein anderes Team so wenige Gegentore kassiert. 2,4 sind es im Schnitt. In der Offensive hat Lausanne mit Denis Malgin, Christoph Bertschy oder Brian Gibbons Spieler, die jederzeit für den Unterschied sorgen können. Eigentlich erstaunlich, dass man im Powerplay nur die Nummer 10 ist. Die Lokalpresse kritisierte zuletzt gewisse Personalentscheide von Trainer Craig McTavish – das könnte für Unruhe sorgen.

Davos (8. Platz, 67 Punkte, Punkteschnitt 1,49)

Eines kann man dem HCD nicht vorwerfen: Er böte zu wenig Spektakel. Sieben Treffer fallen im Schnitt, wenn die Bündner auf dem Eis stehen. Sieben Mal gab es bereits zehn Tore oder mehr. Der HCD hat hinter Leader Zug die zweitbeste Offensive der Liga, kassiert aber zu viele Gegentreffer. Von ungefähr kommt das nicht. Beinahe 35 Schüsse lässt Davos pro Partie auf das eigene Tor zu, beinahe so viele wie das Schlusslicht Langnau. Und: Auch das Boxplay ist unterdurchschnittlich. Es scheint, als müsse der HCD den Weg über die Pre-Playoffs gehen. Immerhin ist die Verletztenliste weniger lang als auch schon. Und: Die Bündner sind nach einem ständigen Auf und Ab im Herbst deutlich konstanter geworden.

Rapperswil-Jona Lakers (9. Platz, 50 Punkte, Punkteschnitt 1,09)

Die Lakers werden wahrscheinlich noch vom SC Bern überholt, aber der 3:1-Heimsieg gegen Ambri-Piotta am Samstag könnte die Vorentscheidung im Kampf um den 10. Platz gewesen sein. Die St. Galler haben jetzt mit einem Spiel mehr sechs Punkte Vorsprung auf die Leventiner. Müssten die Rapperswil-Joner nicht seit Ende Januar auf ihren am Fuss verletzten Stammgoalie Melvin Nyffeler verzichten, wäre die Qualifikation für die Pre-Playoffs wohl so gut wie fix. Dafür hat der in den letzten Jahren als verletzungsanfällig verschriene Roman Cervenka alle 46 Partien bestritten. Der 35-jährige Tscheche ist mit 45 Skorerpunkten (14 Tore) an jedem dritten Treffer seiner Mannschaft beteiligt. Und der Kanadier Kevin Clark, Cervenkas Linienpartner, hat in dieser Saison schon 21 Mal eingenetzt.

SC Bern (10. Platz, 45 Punkte, Punkteschnitt 1,07)

Vor kurzem lag der SCB noch am Boden. Den Jahreswechsel verbrachten die Berner am Tabellenende. Nach der ersten Partie 2021, einem 1:7 gegen Lausanne, titelte die «Berner Zeitung»: «Schlimmer geht immer.» Gerade rechtzeitig für die heisse Phase der Meisterschaft scheint sich der taumelnde Riese gefangen zu haben. Mit Cory Conacher kam ein Stürmer, der in elf Partien sieben Tore erzielte – ein Segen für die drittschwächste Offensive der Liga. Was für den SCB spricht: Er hat viele Meisterspieler in seinen Reihen, die wissen, wie man mit Druck umgehen muss. Der gewonnene Cupfinal hat das Team zudem zusammengeschweisst. In der Endphase der Qualifikation trifft der SCB noch zwei Mal auf das Schlusslicht Langnau. Geht den Bernern bei ihrem strengen Programm nicht die Puste aus, schaffen sie es in die Pre-Playoffs.

Ambri-Piotta (11. Platz, 44 Punkte, Punkteschnitt 0,98)

Nach zehn Spielen mit nur einem Sieg legten die Leventiner Ende Februar einen kleinen Zwischenspurt mit drei Siegen hin. Dieser war dringend nötig, denn Ambri-Piotta befindet sich mitten im Kampf um einen Platz in den Pre-Playoffs. Eigentlich erstaunlich, weil das Team von Luca Cereda diesen Winter unglaubliches Verletzungspech hat. Die Saison von Matt D’Agostini, der 2019/20 einer der produktivsten Spieler der Liga war, endete nach nur acht Partien schon im Oktober. Zwischendurch erwischte es auch Captain Michael Fora und Torhüter Benjamin Conz. Und zuletzt fiel auch Topskorer Julius Nättinen wieder verletzt aus. Dabei könnte Ambri die Treffer des Finnen gut gebrauchen. Nur Langnau schiesst weniger Tore als die Leventiner.

Anmerkung: Sämtliche Zahlen und Angaben sind Stand Donnerstagmorgen.

Roman Michel, Südostschweiz