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Sport
17.03.2021
17.03.2021 09:51 Uhr

Spitzenschwinger sind jetzt offiziell Leistungssportler

Reto Nötzli gehört als einziger des Schwingklubs March-Höfe zu den 120 Schwingern, die wieder ins Sägemehl dürfen.
Reto Nötzli gehört als einziger des Schwingklubs March-Höfe zu den 120 Schwingern, die wieder ins Sägemehl dürfen. Bild: Archiv
120 Spitzenschwinger dürfen ab sofort wieder ins Sägemehl. Dafür bekommen sie den Leistungssportstatus. Der Entscheid ist aber nach wie vor umstritten.

Viel wurde in den vergangenen Wochen in Schwingerkreisen diskutiert. Gilt der Grundsatz «Alle oder Keiner» oder sollen einige wenige Spitzenschwinger wieder trainieren dürfen? Lange konnten sich die Verantwortlichen des Eidgenössischen Schwingerverbands (ESV) nicht dazu durchringen, zumindest 120 Schwingern die Möglichkeit zu geben, wieder zusammenzugreifen – denn dafür wäre eine Art «Profistatus» nötig gewesen (wir berichteten). Dies gefiel aber vielen Schwingern und auch dem Zentralvorstand überhaupt nicht, weshalb der Vorschlag dann auch verworfen wurde. «Alle oder Keiner», lautete also in der Folge das Motto des ESV.

Seit dem 1. März dürfen nun alle Schwinger mit Jahrgang 2001 und jünger wieder trainieren und Wettkämpfe bestreiten. Dies sorgte aber bei den Spitzenschwingern, allen voran bei Schwingerkönig Kilian Wenger, für viel Unmut (wir berichteten). Er forderte, dass auch die Spitzenschwinger wieder trainieren dürfen.

Ab heute wieder zurück

Am Montag nun entsprach der Zentralvorstand Wengers Wunsch und beschloss, dass zumindest 120 Schwinger ab heute wieder ins Training zurückkehren dürfen. Offenbar machte dies nur ein Meinungsumschwung des Berner Vertreters im Zentralvorstand möglich, wie «CH Media» berichtet. Alle Eidgenossen, ausgewählte Teilverbands- und Bergkranzer sowie je ein U23-Talent jedes Teilverbandes sollen zum Handkuss kommen. Entschieden hat dies eine Expertengruppe bestehend aus ESV, Swiss Olympic und dem Bundesamt für Sport (Baspo).

Sind diese 120 Schwinger nun ­also doch Profis? Swiss Olympic hütet sich auf Anfrage, von Profistatus zu sprechen. «Es geht darum, dass die entsprechenden Athleten von ihren Verbänden als Leistungs­sportler ­definiert werden», sagt Alexander Wäfler, Medienverantwortlicher bei Swiss Olympic. Er deutet gleichzeitig auch an, dass die Schwinger nun dem Vorschlag zugestimmt hätten, der schon vor Wochen auf dem Tisch gelegen hatte.

«Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation.»
Markus Lauener, ESV-Obmann

Auch nicht von einem Profistatus sprechen möchte ESV-Obmann Markus Lauener. «Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation. Die 120 Schwinger haben nun Leistungssportstatus.» So sei es jetzt in erster Linie wichtig, dass «wieder geschwungen werden kann, wenn auch nur im Training».

Primäres Ziel des ESV sei es aber nach wie vor, so schnell wie möglich alle Schwinger zurück ins Sägemehl zu bringen. «Es ist aber schon so, dass die 120 im Moment gegenüber dem Rest bevorzugt werden», gibt Lauener zu.

Nun ist also offiziell, was de facto schon seit einigen Jahren eine unausweichliche Tatsache ist. Manche Schwinger trainieren mittlerweile so professionell, dass sie locker als Leistungssportler durchgehen, während andere neben dem Sägemehl nach wie vor einem 100-Prozent-Job nachgehen. Der jetzt beschlossene Leistungssportstatus soll in der Zukunft aber nicht mehr gelten. «Sobald wieder Normalität herrscht, gilt wieder der Vorsatz ‹Alle sind gleich›», sagt Lauener.

Zumindest die Spitzenschwinger dürfen im Training wieder zusammengreifen.

Unmut über den Entscheid

Vorerst sind aber nicht alle gleich. Diese Tatsache dürfte in Schwingerkreisen weiter zu heftigen Diskussionen führen. Vom Schwingklub March-Höfe ist zu vernehmen, dass er mit dem Entscheid ganz und gar nicht einverstanden ist und eine Zweiklassengesellschaft befürchtet. Auch andere Schwingklubs sehen dies ähnlich. Denn gerade der Nationalsport lebt von Solidarität, Gleichheit und gegenseitiger Unterstützung. Es braucht ­jeden im Klub, und nicht nur den ­Allerbesten. Hinzu kommt, dass es in der Schweiz über 5000 Aktivschwinger gibt. Nicht wenige von ihnen leisten einen ähnlich grossen Aufwand wie die 120 Auserwählten, schauen nun aber in die Röhre.

Was immer wieder für Diskussionen im Schwingsport sorgt, sind das Geld und die Sponsoren. Diese beiden Faktoren werden für die Schwinger und auch den ESV immer wichtiger, die TV-Rechte spülen beispielsweise knapp 280 000 Franken jährlich in die Verbandskasse. Es dürfte also durchaus auch Druck von dieser Seite gekommen sein, der nun zu diesem Entscheid geführt hat.

38 ISV-Schwinger

Ob es der Basis nun gefällt oder nicht, der Entscheid ist Tatsache. Nun wird jedem Teilverband ein Kontingent zugewiesen. Vom Innerschweizer Schwingerverband werden 38 Schwinger wieder trainieren dürfen. Dann wird es am Technischen Leiter Thedy Waser liegen, neben den Eidgenossen die restlichen Schwinger zu bestimmen. Der Kanton Schwyz wird acht Schwinger ins Training ­schicken ­können. Neben den fünf ­Eidgenossen Reto Nötzli (Pfäffikon), Alex und ­Christian Schuler (Rothenthurm), Mike Müllestein (Steinen) und Michael Gwerder (Schwyz) kommen also noch drei Teilverbands- und Bergkranzer hinzu. Wer das sein wird, ist momentan noch unbekannt.

Reto Nötzli ist einer der acht Schwyzer, die wieder zurück ins Sägemehl dürfen. Bild: zvg

Trainings ohne Wettkämpfe

Vorerst sind mit der neuen Regelung nur Trainings und noch keine Wettkämpfe geplant. Auch hier hofft Markus Lauener auf alle Schwinger. «Es wäre schön, wenn wir wieder Feste mit allen Aktivschwingern durchführen könnten.» Noch plane man mit einem möglichen Saisonstart ungefähr Mitte Mai.

Kein Kantonalschwingfest wird es in diesem Jahr in der Innerschweiz ­geben. Auf Kranzabgaben will man aber nicht komplett verzichten. So sollen, sobald der Betrieb wieder zugelassen ist, die Kantonalfeste in kleinerem Rahmen doch noch stattfinden. «Kranzfeste mit überschaubarem Aufwand sind eine gute Alternative», sagt ISV-Präsident Peter Achermann gegenüber der Schwingerzeitung «Schlussgang». Des Weiteren sind nach wie vor das ISV-Teilverbandsfest sowie der Stoos- (beide in Ibach) und der Rigi-Schwinget geplant. Bevor wieder das Sägemehl im Ring stiebt, werden weitere intensive Diskussionen um die Zukunft des Schwingsports unausweichlich sein.

Lars Morger, Sportredaktion March24 & Höfe24