Seit gut neun Monaten stehen Sie dem Amt für Justizvollzug vor. Wie haben Sie sich eingelebt?
Für mich ist es mein Traumjob, bei dem ich meine Fähigkeiten und langjährige Berufserfahrung voll einbringen kann. Die Stelle ist vielfältig, gefällt mir sehr, und zudem kann ich in meinem Heimatkanton arbeiten. Den direkten Kontakt zu meinem Vorgesetzten und den anderen Amtsleitungen schätze ich sehr. Die Zusammenarbeit mit der Polizei, der Staatsanwaltschaft und den Gerichten ist unkompliziert und angenehm. Vor allem macht die Arbeit mit meinem mich tatkräftig unterstützenden und engagierten Team viel Spass.
Die Resozialisierung von Delinquenten ist teuer. Stimmt der Ansatz?
Sicherheit im Strafvollzug kostet sehr viel. Wie viel Geld dafür ausgegeben werden soll, ist eine Frage der Anschauung, wie wir uns als Gesellschaft geben wollen. Meines Wissens gibt es einen Fall «Carlos» mit entsprechend kostenaufwendigem Setting zum Beispiel in Italien oder Frankreich nicht. Ich möchte aber auch keine Zustände, wie es in den Institutionen im Ausland teilweise üblich ist. Eine Gesellschaft misst sich auch daran, wie sie mit allen Bürgern umgeht.
Ihr Mann, Jörg Michael Fegert, ist Kinder- und Jugendpsychiater, Psychotherapeut, ein bekannter Kinderschützer und Traumaforscher. Sie arbeiten mit den Tätern. Sind Sie interessiert an deren Psychologie?
Die interessiert mich sehr: Ich habe in einem dreijährigen Nachdiplomstudiengang an der Universität Zürich die Forensische Fachqualifikation «Prognostik» als eine der ersten Absolventinnen erlangt. Dabei geht es um den rechtlichen Umgang mit Personen mit psychiatrischem Störungsbild, die Einschätzung der Gefährlichkeit von Straftätern, aber auch darum, Gutachten zu schreiben und Therapien im Strafvollzug zu beurteilen.
Das kommt Ihnen bei Ihrer aktuellen Tätigkeit zugute …
Dieses Wissen nützt mir, zumal ich ja die heikleren Fälle zusammen mit meiner Strafvollzugsleiterin auch selber betreue.
Können Sie das ausführen?
Im Gefängnis haben wir zunehmend psychisch hochauffällige Insassen, zum Beispiel Personen mit Suchtproblematik oder Schizophrenie. Es ist eine Gratwanderung, wie der
Gefängnisleiter mit seiner langjährigen Erfahrung die daraus im Gefängnisbetrieb resultierenden Probleme schildert. Dann geht es darum, einzuschätzen, wie mit solchen Personen in kritischen gesundheitlichen Zuständen umgegangen werden muss oder ob sie wegen Selbst- oder Fremdgefährdung in eine psychiatrische Klinik verlegt werden müssen.
Sie sagen, es gebe mehr psychisch hochauffällige Insassen …
Die Zahl hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Dies führt dazu, dass das Betreuungspersonal immer mehr gefordert wird und sehr gut geschult sein muss. Wir haben Insassen mit selbstverletzendem Verhalten, die mit dem Kopf gegen die Zellenwand rennen, sodass die Wand rot vor Blut ist. Welche Schutzmassnahmen ergreift man da, ohne gleichzeitig solches Fehlverhalten zu belohnen, das sind schwierige Entscheidungen.