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Sport
25.02.2021

«Die Kurssetzung der WM-Abfahrt war sehr speziell und übertrieben»

Vitus Lüönd war an der WM in Cortina d’Ampezzo dabei.
Vitus Lüönd war an der WM in Cortina d’Ampezzo dabei. Bild: Robert Betschart
Der Sattler Vitus Lüönd war an der Ski-WM in Cortina d’Ampezzo als Speedtrainer der Männer im Einsatz.

Vitus Lüönd ist Gruppentrainer der Weltcupfahrer von Swiss-Ski und betreut dort im Normalfall die zweite Speedgruppe rund um Fahrer wie Ralph Weber, den ­Trachslauer Cedric Ochsner oder Gilles Roulin. Auch wenn aus seiner Gruppe an der WM niemand am Start stand, war der Sattler, wie das gesamte Weltcup-Trainerteam von Swiss-Ski, in Cortina im Einsatz. Lüönd war unter anderem für die Aufarbeitung der ­Videoanalyse verantwortlich. Er besetzte auf der WM-Piste die Position beim Ghedina-Sprung, wo er die Fahrten der Schweizer analysierte und filmte.

Am Montag kehrte der 36-Jährige nun von der WM nach Hause zurück, ist aber bereits wieder unterwegs ins Italienische Sella Nevea, wo seine Speed-Gruppe an den kommenden Europacup-Rennen starten wird.

Das Speed-Team der Männer holte mit Beat Feuz die WM-Bronzemedaille in der Abfahrt. Im Super-G gingen die Schweizer Männer dagegen leer aus. Wie sind Sie resultatmässig mit der WM zufrieden?
Ich finde, eine WM-Medaille ist nicht selbstverständlich und bin deshalb sehr happy, dass Beat Feuz Bronze ­gewonnen hat. Klar, vielleicht wäre mehr dringelegen. Insbesondere im Super-G war das Glück sicherlich nicht auf unserer Seite. Zudem war die Kurssetzung in der Abfahrt, ich sage jetzt mal, sehr speziell. Aber in der Abfahrt waren die Ergebnisse sehr gut. Ich denke, die Ränge drei, vier und neun sagen alles. Das Teamergebnis hat gepasst und dies, obwohl in der Abfahrt mit Mauro Caviezel und Urs Kryenbühl zwei starke Fahrer gefehlt haben.

Die Abfahrt gab ja viel zu reden. Einige Tore mussten nach dem ersten Training umgesteckt werden. Trotzdem kritisierten nachher immer noch einige Fahrer, dass es für eine Abfahrt zu stark drehe. Wie haben Sie das erlebt?
Ja, also ganz ehrlich: Die Kurssetzung war, wie gesagt, sehr speziell und aus meiner Sicht übertrieben. Aber nach dem Super-G hat man gesehen, wie weit der Vertigine-Sprung unter diesen Bedingungen gehen kann. Man wollte insbesondere nach dem schweren ­Unfall von Urs Kryenbühl in Kitzbühel nicht nochmals die Gesundheit der Fahrer riskieren. Deshalb drehte in der Abfahrt der Kurs vor dem Sprung extrem, um Tempo rauszunehmen.

Und weiter?
Auch fehlte aus meiner Sicht ein ­drittes Training, insbesondere, weil der Kurs ja nach dem ersten Training noch angepasst wurde und im Vorjahr auch keine WM-Hauptprobe stattfinden konnte. Aber es war für alle Fahrer gleich. Wir haben die Bedingungen ­akzeptiert, so wie sie sind und versucht, das Beste daraus zu machen. Ich glaube, mit dem Teamergebnis können wir sehr zufrieden sein.

In der Abfahrt schien die Team-Strategie offensichtlich: In der Schlüsselstelle vor der Traverse ­investierten die Schweizer viel, um danach mehr Speed auf den flacheren Teil mitzunehmen. Gleichzeitig verloren sie aber an der besagten Stelle viel Zeit. War diese Strategie im Nachhinein falsch?
Das stimmt, das war unsere Strategie. Wir haben uns diese Frage auch gestellt. Ich konnte nach dem Rennen mit Beat Feuz sprechen. Er war weiterhin überzeugt von dieser Linienwahl, denn er konnte genau im unteren Teil die nötigen Zehntelsekunden gutmachen und schaffte es aufs Podest. Aber es ist so, vielleicht hätte es sich für die technisch sehr starken Fahrer angeboten, die Traverse etwas frecher und ­direkter zu fahren. Dadurch wäre aber auch das Risiko gestiegen, das Tor bei der Traverse ganz zu verpassen. Dies ist beispielsweise Matthias Mayer passiert. Es war also ein sehr schmaler Grat zwischen richtig und falsch.

Im Super-G lief es nicht für die Schweiz. Es gab keine Medaille, Loïc Meillard und Mauro Caviezel schieden aus. Was ist da Ihr Fazit?
Die Startnummern zwei und drei ­waren im Nachhinein nicht optimal. Vielleicht wurde die Schlüsselstelle zu Beginn etwas unterschätzt. Aber so ist der Super-G. Es finden keine Trainings statt. Oft liegen Top-Zeiten oder Ausscheiden nahe beieinander. Unser Plan war, voll anzugreifen. Das haben die Fahrer gemacht. Genau deshalb mag ich unsere Truppe so sehr. Mir gefällt die Mentalität des gesamten Teams.

Robert Betschart, Bote der Urschweiz