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17.02.2021
17.02.2021 11:09 Uhr

Ans «Rennen zu den Wolken»

Roger Schnellmann will am Pikes Peak teilnehmen. (Bild: Franz Feldmann)
Roger Schnellmann will am Pikes Peak teilnehmen. (Bild: Franz Feldmann) Bild: Franz Feldmann
Der Wangner Bergrennfahrer Roger Schnellmann will im Juni am berühmt berüchtigten Pikes Peak in Colorado starten. Dazu braucht er aber noch Unterstützung.

Der Wangner Rennfahrer Roger Schnellmann staunt nicht schlecht: «Dass ausgerechnet mir so etwas Gutes passiert!», wundert er sich, nachdem er das ­Telefon beiseite gelegt hat. Er hat einen ­Anruf bekommen, einen unerwarteten. Es geht nicht um seine Prüfung in diesem Frühling als Motorradfahrlehrer, nicht um seine geplante Hochzeit in diesem Sommer. Alles bevorstehende Ereignisse, die den Märchler Fahrlehrer und Rennfahrer freuen. Nein, soeben ist er angefragt worden, ob er als Fahrer des Schweizer Köstli Racing Teams in diesem Jahr das Pikes Peak 2021 fahren möchte.

Pikes Peak? Für Motorsport-­Unkundige: Das ist das Non-Plus-Ultra des Bergrennsports, das Mekka, der Mount Everest. Da kommt nicht irgendwer hin, da fahren die Besten, die Schnellsten. Nur 85 Fahrzeuge sind zugelassen. Es geht im «Rennen zu den Wolken» um 1439 Meter Höhenunterschied, um 156 Kurven. Aber noch viel mehr um die Ehre, schnell auf dem Gipfel anzukommen. Das Ziel liegt auf 14 110 Fuss, also auf 4301 Metern über Meer. Der Aufwand für die Jagd nach einem Streckenrekord ist enorm, Werkteams tüfteln jahrelang am idealen Fahrzeug, am perfekten Motor, der auch auf dieser Höhe noch einigermassen seine Pferdestärken abrufen kann. Viel zu wenig Sauerstoff in der Luft, die Rekordfahrer hängen an der Sauerstoffflasche. Am schnellsten bewältigte 2018 ein elektrischer VW die 12,42 Meilen, dies in einer Zeit von 7:57 Minuten.

«Oben überhaupt ankommen ist das erste Ziel.»
Roger Schnellmann, Bergrennfahrer aus Wangen

Eine Herausforderung

1916 wurde das Rennen zum ersten Mal im Staat Colorado ausgetragen. Die 19,99 Kilometer lange Strecke praktisch ohne Schutzplanken ist erst vor wenigen Jahren mit einem Teerbelag bezogen worden, was die Zeiten nochmals wesentlich verkürzt hat. Eine Zeit unter 10 Minuten ist noch immer das Ziel eines jeden Fahrers. Oder, wie es Roger Schnellmann sagt: «Oben überhaupt ankommen ist das erste Ziel.» Auch das schafft nicht jeder. Die kurvenreiche Strecke hat mit ihren Eigenarten schon manchen Traum zerstört. Abgründe bis zu 1800 Meter warten auf die Fahrer, manch einer ist nicht mehr zurückgekommen.

Zweifel müssen beseitigt werden

«Warum ausgerechnet in diesem Jahr?», fragt sich Roger Schnellmann. Der Zeitplan ist eigentlich mit Prüfungs- und Hochzeitsvorbereitungen nebst seinem Beruf als Fahrlehrer schon voll genug. Doch eine solche Chance gibt es wohl nur einmal, die muss er packen. Denn von einem Start am Pikes Peak träumt jeder Bergfahrer.

Doch halt. Nach der ersten Euphorie nach dem Telefonanruf müssen Details geklärt werden. «Ich gebe gewissermassen mein Leben in die Hände des Rennstalls», ist sich Schnellmann bewusst. Also braucht es weitere Abklärungen. Gespräche müssen geführt werden. Das Köstli Racing Team aus Wernetshausen im Tösstal ist dem Wangner nicht bekannt. «Können die das stemmen? Ist das seriös?» Solche wie auch technische Fragen beschäftigen ab sofort Schnellmann.

Die Zweifel nach einem langen und intensiven Gespräch bis tief in die Nacht hinein sind schnell beseitigt. Nachdem ganz wichtige Fragen zu Beginn des Gesprächs zur vollsten Zufriedenheit von Schnellmann beantwortet werden können, ist sich der Wangner Fahrlehrer sicher, den richtigen Partner an seiner Seite zu haben. «Die wissen, wovon sie reden», ist er überzeugt.

Teamchef ist Roman Köstli. Er hat Erfahrungen in der Luftfahrt und in der Entwicklung eines neuartigen Hubschraubergetriebes, auch Erfahrungen in der Formel 3. «Roger wurde mir von jemandem als Fahrer empfohlen», so Köstli auf die entsprechende Anfrage. «Mich hat beeindruckt, mit welchem Sachverstand Roger den Rennsport betreibt, denn er kommt ja beruflich nicht aus dieser Branche.» Auch aus diesem Grund haben sich die zwei Parteien schnell zu einer hoffentlich funktionierenden Einheit gefunden.

So sieht der geplante Radical SR03 des Köstli Racing Teams aus, mit dem Schnellmann den Pikes Peak bezwingen will. Bild: zvg

Schnelles, leichtes Auto

Sollte das Projekt Pikes Peak 2021 tatsächlich zustande kommen, wird ein Fahrzeug zusammengestellt, ein Radical SR03. Ein kugelgelagerter Mittelmotor mit Spezial-Turbolader und 500 PS soll am 27. Juni 500 Kilogramm Fahrzeuggewicht den Berg hinauf jagen.

Grosse Namen auf der Siegerliste

Eine Jagd, die schon sehr berühmte Namen als Sieger gesehen hat. Die ­Indycar-Fahrer Al Unser, ­Mario ­Andretti und Rick Mears stehen ebenso auf der Siegerliste wie europäische Grössen des Rallysports Michèle Mouton, Walter Röhrl und Ari ­Vatanen. Ende Juni wird die 99. Austragung dieses Rennens sein. «Ich hoffe, dass dieses Jahrs schon alles klappt, dass wir das Geld zusammenbringen», sagt Roger Schnellmann. Denn die Reise soll weitergehn, es soll keine einmalige Teilnahme am Pikes Peak sein. Im nächsten Jahr lockt das 100. Rennen. «Da dabei zu sein, wäre grossartig», ist sich Schnellmann bewusst.

Um überhaupt als Team gut auszusehen, braucht es mehrerer Teilnahmen. Viel kann auf den insgesamt fast 20 Kilometern schief gehen. Es gibt vorgängig auch kein Training auf der gesamten Strecke. Diese wird in drei Teilbereiche unterteilt, die in den Trainingsfahrten geübt werden können. Die ganzen 12,42 Meilen gibts nur einmal zu fahren: am Renntag, am Rennen selbst. Die Bedingungen können sich sehr schnell ändern, von fast tropischer Hitze beim Start bis zu Schnee auf dem Gipfel, Regen, Sonne, alles ist möglich. Das ist nebst der sportlichen und technischen Leistung anspruchsvoll, bringt Mensch und Material an die Grenzen. Die besten Karten haben zurzeit Elektromotoren. Diese sind im Gegensatz zu Verbrennungsmotoren unabhängig vom Sauerstoffgehalt der Luft, die Akkus werden, je kühler die Luft wird, je besser.

Training im Simulator

Trotz dieser Vorgaben bleibt das Ziel des Schweizer Teams sportlich ambitioniert. «Unser Ziel ist eine Top-10 Platzierung», wird vom Köstli Team verkündet. Das schätzt Roger Schnellmann durchaus als realistisch ein, auch wenn natürlich eigene Erfahrungswerte auf der Strecke fehlen.

Um dies auszugleichen, trainiert der Wangner in Horgen bei Racing Fuel.

Schnellmann trainiert im Simulator von Racing Fuel in Horgen. Bild: Franz Feldmann

Beim führenden Hersteller für Simulatoren kann Schnellmann die Piste ­virtuell abfahren, sie ist gespeichert. Die ersten gefahrenen Zeiten sind viel versprechend. Auch seine Fitness kann er dort auf Vordermann bringen, denn «ich arbeite nicht mehr auf dem Bau, bin also nicht mehr so fit wie zuvor», lacht er.

Das ganze Projekt kostet natürlich Geld, die Rede ist von etwa 100 000 Franken. Allein die Anpassung auf einen Turbomotor verschlingt 25 000 Franken. Um das Ziel zu verwirklichen, wird noch Unterstützung gesucht. Neben einer Crowdfunding-Aktion bei ibelieveinyou.ch hoffen Schnellmann und sein Team auch noch auf Sponsorengelder. Das Ziel ist es, bis Ende ­dieses Monats das Budget zusammen zu haben.

Franz Feldmann, Sportredaktion March24 & Höfe24