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Sport
14.12.2020
14.12.2020 17:05 Uhr

Andri Ragettli: «Es ist im Moment eine crazy Zeit»

WM als grosses Saisonziel: Andri Ragettli schaut trotz den Corona-Einschränkungen positiv in die Zukunft. (Bild: Keystone)
WM als grosses Saisonziel: Andri Ragettli schaut trotz den Corona-Einschränkungen positiv in die Zukunft. (Bild: Keystone) Bild: Keystone
Das Coronavirus ist eine Herausforderung für den Sport. Auch die Gewohnheiten von Freeskier Andri Ragettli haben sich durch die Pandemie verändert. Der Weltcupsieg zum Saisonauftakt in Stubai war darum für den Slopestyle-Gesamtsieger von grosser Wichtigkeit.

Der Bündner Andri Ragettli ist im Tirol erfolgreich in die Freeski-Saison gestartet. Der Gesamtweltcupsieger des Vorjahres gewann vor einer Woche beim Weltcup-Auftakt auf dem Stubai-Gletscher im Slopestyle vor den Norwegern Christian Nummedal und Ferdinand Dahl. Durch die Absage der Weltcup-Events in Nordamerika geht es für den 22-Jährigen erst im Januar wieder weiter. Bis es so weit ist, trainiert Ragettli mit dem Nationalteam im Engadin und in Laax.

Andri Ragettli, der Saisonstart ist geglückt. Mit 94 Punkten im Slope-style-Final haben Sie die Konkurrenz in Österreich dominiert.
Der Start ist mir geglückt, das kann man so sagen. Es ist immer schön, wenn der Auftakt gelingt. Da kann man sich nicht beklagen (schmunzelt). Es war der erste Wettkampf und ich war mega nervös. Ich wusste nicht genau, wo ich stehe. In den Trainings hat sich das dann gelegt. Ich sah, dass ich mit meinen Tricks noch bei den Leuten bin. Wenn ich meine Runs runterbringe, kann ich auch in dieser Saison vorne mitfahren. Damit man gewinnen kann, muss aber immer extrem viel aufgehen.

Auf dem Stubai-Gletscher ist es aufgegangen. Wegen des Corona­virus findet der nächste Weltcup frühestens im Januar statt. Eigentlich schade um Ihre Frühform, oder?
Ja, natürlich. Ich habe am Abend vor dem Final im Stubaital erfahren, dass der Weltcup von Mitte Dezember in Amerika abgesagt worden ist. Darum war der Druck tags darauf noch ein wenig grösser. Ich wollte unbedingt mit einem positiven Resultat in die Pause gehen, in der wir uns nun befinden. Nun hoffe ich, dass im Januar dann alles gut geht und die geplanten Weltcups im österreichischen Kreischberg und in Frankreich stattfinden können. Wenn es die Pandemie zulässt, geht es danach im Februar in die USA.

Sie sind bekannt dafür, alles bis ins letzte Detail zu planen und nichts dem Zufall zu überlassen. Der ungewisse Saisonverlauf dürfte Ihnen kaum zusagen.
Ich bin in der Tat einer, der alles plant und wissen will, was in den nächsten Tagen und Wochen läuft. Im Anpassen bin ich nicht der Beste. Das ist eine meiner Schwächen, dessen bin ich mir bewusst. Es ist jetzt aber so, wie es ist. Ich muss mit dieser Situation leben.

Der Ist-Zustand ist für Sie also ein zusätzlicher Stressfaktor.
Man kann das durchaus so beschreiben. In Stubai hatten wir nach der Ankunft einen Coronatest. Irgendwie war daran etwas nicht gut. Nach eineinhalb Stunden hiess es dann plötzlich, dass wir den Test am Abend um 19 Uhr wiederholen müssen. Dies führte zu Hektik, zu Unsicherheit und zu Diskussionen. Es störte meinen Plan und meine Konzentration.

«Ich versuche ja, alles ruhiger zu nehmen, es easy zu sehen.»
Andri Ragettli, Schweizer Freeskier

Das werden Sie im Verlauf dieses Winters möglicherweise noch mehrfach erleben. Ruhe bewahren, müsste ab sofort Ihr Motto lauten.
Man muss sich in dieser Saison definitiv anpassen können. Ich versuche ja, alles ruhiger zu nehmen, es easy zu sehen. Mir ist klar, dass ich es jetzt gemütlicher nehmen muss, mich nicht aus der Ruhe bringen lassen darf. Ganz so einfach ist das für mich nicht.

Trotz Corona herrscht zumindest auf den Skis Normalzustand.
In Stubai hat man von der Corona-Thematik tatsächlich nichts gemerkt. Der Gletscher war allein für uns Fahrer geöffnet. Die Pandemie war weit weg. Das Drumherum war trotzdem speziell. Es führt zu einer Unsicherheit. Wir hören, dass Leute kerngesund sind und trotzdem einen positiven Covid-19-Test abgeben. Das bereitet mit Sorgen. Ich will nicht daran denken, was gewesen wäre, wenn ich positiv gewesen wäre und die Chance nicht bekommen hätte, an den Start zu gehen. Für mich wäre das eine Katastrophe gewesen, da bin ich ehrlich.

Wer wie Sie viel reist, muss damit rechnen, irgendwann mit Covid-19 angesteckt zu werden.
Vor Stubai setzte ich die Vorschriften krass um. Wegen des Weltcups war ich konsequent. Ich habe niemanden mehr getroffen, auch nicht meine Schwester. Nicht einmal meine Mama habe ich umarmt, obwohl wir im gleichen Haushalt leben. Im Moment nehme ich es lockerer, weil ich während eines Monats keinen Wettkampf habe. Das heisst aber nicht, dass ich die Vorschriften nicht einhalte, die für alle Leute gelten. Es ist im Moment eine crazy Zeit, in der man sich anpassen muss.

Nochmals zurück zum Sport: Was sind nach dem geglückten Auftakt Ihre weiteren Saisonziele?
Für mich ist jeder Wettkampf wichtig. Ob Olympia-Qualifikation, Weltcup oder X-Games, es zählt bei mir der Moment, der gerade aktuell ist. Damit bin ich bisher gut gefahren. Aber klar, ich hoffe, dass die Freeski-WM trotz der Absage in China irgendwo sonst durchgeführt wird. Ich bin erst an einer WM gefahren. Das letzte Mal war ich verletzt. Nun hätte ich gute Medaillenchancen. Allein darum wäre es toll, wenn die WM stattfinden würde.

René Weber, Südostschweiz