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Buchpreis 2025 geht an «Die Holländerinnen»

Dorothee Elmiger (2.v.r.) hat sich mit «Die Holländerinnen» gegen Meral Kureyshi (links), Nelio Biedermann (2.v.l.), Melara Mvogdobo (Mitte) und Jonas Lüscher (rechts) durchgesetzt
Dorothee Elmiger (2.v.r.) hat sich mit «Die Holländerinnen» gegen Meral Kureyshi (links), Nelio Biedermann (2.v.l.), Melara Mvogdobo (Mitte) und Jonas Lüscher (rechts) durchgesetzt Bild: Keystone
Der Schweizer Buchpreis 2025 wird Dorothee Elmiger für ihren Roman «Die Holländerinnen» verliehen. Das Werk überzeugte die Jury mit seiner erzählerischen Kraft und der besonderen Art, in der der Text die Grenzen des Erzählbaren auslotet.

Der Roman verfolgt die Geschichte einer Theatergruppe, die sich im Urwald auf die Spurensuche zweier verschwundener Holländerinnen begibt. Ein sinnlicher und beweglicher Text, so die Jury. In ihrer Begründung für die Wahl heisst es weiter: «Ausgehend von der Unmöglichkeit des Erzählens gelingt der Buchpreisträgerin das paradoxe Kunststück, das Erzählen auf eine neue Ebene zu heben.»

Die Nominierten für den Schweizer Buchpreis 2025 waren Nelio Biedermann, Dorothee Elmiger, Meral Kureyshi, Jonas Lüscher und Melara Mvogdobo. Es ist das achtzehnte Mal, dass der Preis verliehen wurde.

Insgesamt wurden heuer von fünfzig Verlagen vierundneunzig Titel eingereicht; die Preisverleihung fand am 16. November im Rahmen des Internationalen Literaturfestivals BuchBasel im Theater Basel statt.

«Die Holländerinnen» von Dorothee Elmiger erzählt von einer bekannten Schriftstellerin, die erkennt, dass sie an die Grenzen ihres Schreibens gelangt ist. Vor Jahren reiste sie für ein Theaterprojekt in die lateinamerikanischen Tropen, wo ein gefragter Regisseur den Fall zweier verschwundener Holländerinnen rekonstruieren wollte. Die Reise in den Dschungel wird für die Gruppe zur Grenzerfahrung. Es entsteht ein Netz aus abgründigen Geschichten, die sie einander erzählen. In einem Zustand zunehmender Auflösung stellen sich Fragen nach der Sinnhaftigkeit des Lebens und den Möglichkeiten der Kunst. Elmiger lotet die Grenzen des Erzählbaren aus und legt zugleich einen Beweis für die Kraft der Literatur vor.

«Lázár» von Nelio Biedermann erzählt die Geschichte von Lajos, der im Waldschloss zur Welt kommt, während die ungarische Adelsfamilie noch in einer intakten Welt lebt. Schon bald jedoch wirft das Ende des Habsburgerreiches einen Schatten auf ihr luxuriöses Leben. Im Zweiten Weltkrieg wird sich Lajos an der Verfolgung der ungarischen Juden beteiligen, bevor die Familie durch die Enteignung durch die Kommunisten alles verliert. In einer poetischen Sprache, mit viel Intensität und zugleich Leichtigkeit erzählt Biedermann vom Leben der verschiedenen Generationen und von der Frage, wie ein Mensch zwischen Versehrtheit und Lebenshunger richtig leben soll.

«Im Meer waren wir nie» von Meral Kureyshi erzählt die Geschichte von Lili, die ins Altersheim zieht. Ihre Familie sucht jemanden, der sie regelmässig besucht. Die Ich-Erzählerin, die gemeinsam mit Lilis Enkelin Sophie und deren achtjährigem Sohn Eric im selben Haus lebt, willigt ein. Noch verheimlicht sie, dass sie wegen einer neuen Stelle bald wegziehen wird. Sie ringt mit der verblassenden Freundschaft zu Sophie und mit der Tristesse des Altersheims. Als Lili stirbt, wagen die jungen Frauen einen Neubeginn. Kureyshis Roman beschreibt anhand überraschender Sprachbilder und kleiner Alltagsszenen die Vielfalt weiblicher, freundschaftlicher und familiärer Lebensentwürfe und stellt immer wieder die Frage, welche Wurzeln einen Menschen halten und was ihn zum Aufbruch drängt.

«Verzauberte Vorbestimmung» von Jonas Lüscher knüpft an das jahrhundertealte Thema Mensch und Maschine an. Für den Schriftsteller wurde dieses Thema zu einer existentiellen Erfahrung, als er eine Covid-Erkrankung nur dank modernster Technik überlebte. Dieses geschärfte Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit zieht sich als roter Faden durch den Roman. Lüscher wechselt zwischen Zeiten, Orten und Erzählperspektiven. Er erzählt von einem Soldaten im Ersten Weltkrieg, von einer Stand-up-Comedian im Kairo der Zukunft, von einem böhmischen Weber und von einem Schriftsteller auf Recherche. Entstanden ist ein Buch, das grundlegende Fragen umkreist und erzählerisch neue Wege einschlägt. 

«Grossmütter» von Melara Mvogdobo handelt von zwei Grossmüttern, die in völlig unterschiedlichen Welten leben und doch vieles gemeinsam haben. Die eine stammt aus einer armen Schweizer Bauernfamilie, die andere aus einer wohlhabenden Familie in Kamerun. Als junge Frauen haben beide Träume. Sie heiraten, werden gedemütigt und spüren die engen Grenzen, die ihnen das Patriarchat setzt. Doch irgendwann setzen sie sich zur Wehr. In einer überraschenden Parallelführung zweier Leben zeigt Mvogdobo, was Frauen über Kulturen und Kontinente hinweg verbindet. Das Buch besticht durch eine knappe, messerscharfe und zugleich bewegende Sprache sowie durch eindrückliche Milieuschilderungen.

stgallen24/stz.
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