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25.08.2020
25.08.2020 10:40 Uhr

Unterwegs im Urner Arvenwald

Der Ausblick von der Wanderung im Urner Reusstal. (Bilder: Urs Attinger)
Der Ausblick von der Wanderung im Urner Reusstal. (Bilder: Urs Attinger) Bild: Urs Attinger
Im Kanton Uri, im Gebiet Fellital-Taghorn, befindet sich ein Waldreservat. Es soll das grösste Arvenvorkommen auf der Schweizer Alpennordseite sein. Über wegloses Gelände begaben sich Stefan Indergand und March24- & Höfe24-Redaktor Urs Attinger zu diesen Arven. Ihr Alter wird auf bis zu 500 Jahre geschätzt.

von Urs Attinger

Hier gibt es keine Bahn, keine Strasse und oft nicht einmal einen Weg. Dabei ist das Urner Haupttal mit seiner Autobahn und der Gotthardlinie der SBB nur einen Steinwurf entfernt. Auch Touristenmagnete wie Andermatt, die Göscheneralp oder der Arnisee grüssen teils herüber, ohne dass man etwas vom Rummel mitbekommt.

Hier im Waldreservat Fellital-Taghorn ist es nicht ruhig – es ist still. Es ist höchstens ein leichtes Rauschen des Windes in den Bäumen oder das Plätschern eines Bächleins zu vernehmen. Hier wachsen bis auf eine Höhe von 2100 Metern Kaliber von Arven. Viel höher steigen die Bergspezialisten nicht einmal auf der Alpensüdseite. Sie recken ihre Stämme und Äste gen Himmel und trotzten schon manchem Sturm. Schätzungen sprechen von bis zu 500-jährigen Exemplaren.

Nächtlicher Besuch

Wir müssen allerdings einen mehrstündigen, steilen Aufstieg, zuerst über Heuwiesen, dann durch Fichtenwald auf uns nehmen, um zu den Arven zu gelangen. Bei zum Aufladen bereiten Heuwellen treffen wir den 81-jährigen Bauern Peter Gamma.

Im Gespräch mit dem Bauern Peter Gamma erfahren wir Wissenswertes zur Route und unserem Ziel, dem Standelstäfeli. Bild: Urs Attinger

Er gibt uns wertvolle Informationen für unsere Tour. Der Weg sei aber nicht mehr überall sichtbar, was wir schon vermuteten, denn auf den neueren Landeskarten ist er nicht mehr eingezeichnet.

Etwas weiter oben, auf einem nur zu Fuss erreichbaren Maiensäss treffen wir die Schwester von Peter Gamma, Annemarie. Sie offeriert uns spontan etwas zu trinken. Auch sie erzählt ungehemmt. Mein Begleiter ist selber geboren und aufgewachsen im Urner Oberland, das vereinfacht die Kommunikation.

Nach schweisstreibenden Stunden durch immer lichter werdenden Wald erblicken wir die ersten Arven.

 

Diese vom Wetter geprägte Arve dürfte mehrere hundert Jahre alt sein. Sie steht an der Baumgrenze auf knapp 2100 Metern hoch über dem Urner Reusstal. Bild: Urs Attinger

Ihre Nadeln sind in Büscheln zu fünf bis sechs Nadeln angeordnet. Im Gegensatz dazu besitzt die Föhre nur zwei Nadeln pro Büschel. Der Arvenwald ist gut durchmischt mit Lärchen und Fichten, wird mit zunehmender Höhe aber immer reiner. Auf rund 1800 Metern erreichen wir unseren Biwakplatz, ein ausgebuchteter Hirschweg. Hier verbringen wir die Nacht. Wir hinterlassen so gut wie keine Spuren. In der Nacht entzückt mich der Sternenhimmel und um 2.10 Uhr in der Früh segelt eine Sternschnuppe vorbei. Etwas später verirrt sich eine Schnecke in meine Haare und auch Spinnen lassen sich von uns Menschen nicht abschrecken. Ich bin aber froh, dass uns weder Bär noch Wolf besuchen. Als der Morgen anbricht, kochen wir Kaffee.

Einst Viehversteck

Der Morgen steht im Zeichen der Latschenkiefern, auch bekannt unter dem Namen Legföhren. Wir verfehlen die Route und haben fast eine Stunde mit diesem Dickicht zu kämpfen. In Richtung Standelstäfeli finden wir die letzten mächtigen Arven. Beim Stäfeli selber gibt es nur noch Heidebewuchs: Alpenrose, Erika und Heidelbeere.

Das Standelstäfeli liegt an der Baumgrenze und hat eine bewegte Geschichte. Bild: Urs Attinger

In der Zeit des zweiten Koalitionskrieges 1799, erzählte uns Gamma, hätten Franzosen die Alpen geplündert. Da habe ein Bauer sein Vieh im Standelstäfeli versteckt und die Truppen hätten es nicht gefunden.

Nach ausgiebigem Geniessen der Einsamkeit steigen wir wieder 1200 Höhenmeter ab nach Wattingen bei Wassen. Die Bauernfamilie Gamma bewirtet uns nochmals. Sonst dringt nur allenfalls der Wildhüter einmal in diese Regionen vor. Ein Erlebnis fernab der Zivilisation geht zu Ende. Inmitten von Touristen trete ich die Heimreise mit dem Zug an.

Weitere Eindrücke von der Wanderung:

  • Der Tannenhäher sorgt für die Verbreitung der Arven. Er versteckt ihre Samen und findet nicht mehr alle. Bild: Urs Attinger
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  • Der Wald verjüngt sich gut. Immer wieder trifft man zwischen den alten Bäumen auf Jungwuchs. Bild: Urs Attinger
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Waldreservat Fellital-Taghorn, Uri

Das Fellital ist ein rechtes Seitental des Urner Reusstales. Es zweigt bei Gurtnellen nach Süden ab. Dort liegt die Treschhütte SAC. Sie ist in etwa drei Stunden ab Gurtnellen auf einem Bergwanderweg zu erreichen. Von dort gelangt man auf einem Alpinweg zum Taghorn. Die hier beschriebene Wanderung von Wattingen über Rüteli, Brandegg zum Standelstäfeli ist lang und sehr anstrengend.

Urs Attinger, March24 & Höfe24