Aufmerksame «Tagesschau»- und «10 vor 10»-Zuschauer kommen praktisch nicht an ihm vorbei, wird er doch mehrmals wöchentlich zugeschaltet: Michael Rauchenstein. Der Lachner berichtet seit März als SRF-Korrespondent in der europäischen Hauptstadt über die Geschehnisse in der EU.
«Ich ging ohne Erwartungen nach Brüssel, weil man nie weiss, was als Nächstes kommt», sagt der 31-Jährige. Mit dem Coronavirus hat aber auch er nicht gerechnet. «Als ich Ende Januar nach Brüssel reiste, war Corona zwar bereits ein Thema, aber noch weit weg.» Sein Vorgänger Sebastian Ramspeck führte ihn einen Monat lang in seine neue Aufgabe ein. «Und kurz darauf kam in Belgien der Lockdown», blickt Rauchenstein zurück. «Da ja in Europa alle Grenzen zugingen, war das für mich als Journalist eine interessante Zeit. Thematisch hätte der Start gar nicht besser sein können», führt er aus.
Büro statt Homeoffice
Normalerweise arbeitet Michael Rauchenstein zusammen mit vier weiteren SRG-Journalisten und einer Assistentin im selben Büro. «Da ich zu Beginn keine Wohnung hatte und danach wegen der Grenzschliessung die Möbel nicht geliefert werden konnten, lebte ich zwei Monate in einem AirBnB. Dort wollte ich kein Homeoffice machen, deshalb ging ich ins Büro, wo ich alleine war», sagt der Lachner. Auch die zuständige Produktionsfirma habe normal weitergearbeitet. «Wegen der eingeschränkten Reisefreiheit konnten wir jedoch keine Reportagen aus den Benelux-Ländern machen.» Mit der EU habe er aber mehr als genug zu tun gehabt.
In Belgien war der Lockdown restriktiver als in der Schweiz. «Wir durften nur nach draussen, um zu arbeiten, einzukaufen oder Sport zu treiben», erzählt der Fernsehkorrespondent. Gab es zu Beginn nur im öV eine Maskenpflicht, wurden die Massnahmen in der Hauptstadt inzwischen verschärft. Nun gilt die Maskenpflicht im gesamten öffentlichen Raum.
Natürlich war auch das europäische Parlament vom Lockdown betroffen. «Weil wichtige Entscheide getroffen werden mussten, tagte es nach einigen Wochen wieder. Es waren aber nur ein paar Parlamentarier anwesend, die restlichen waren via Video zugeschaltet», erklärt Rauchenstein. Mittlerweile laufe der Parlamentsbetrieb wieder «normal» – einfach mit Maske.
Herausfordernd, aber spannend
«Ich fühle mich sehr wohl in Brüssel, und der Job ist unglaublich spannend», lautet Rauchensteins Fazit der ersten Monate. Er habe zwar viel zu tun, überfordert sei er aber nicht.
Bislang habe er durchwegs positive Rückmeldungen bekommen, was ihn natürlich sehr freue. «Aber die momentanen Themen betreffen die Schweiz nur am Rande, und so macht man sich nicht gross angreifbar. Ich bin gespannt, wie es wird, wenn es um die bilateralen Beziehungen geht und ich die Perspektive aus Sicht von Brüssel analysieren und darstellen muss», führt er aus.
Seitdem Michael Rauchenstein in Brüssel lebt und arbeitet, war er zweimal in der Schweiz. «Meine Generation ist sich gewohnt, dass die Grenzen offen sind. Dass der Schengen-Raum nun geschlossen wurde, war zwar nachvollziehbar, aber trotzdem eine schwierige Situation», so der Märchler.
Nach zweieinhalb Wochen Sommerferien arbeitete der SRF-Korrespondent auf der Redaktion von SRF News. Ende August reist er wieder nach -Belgien – wie fast immer mit dem Zug. «Ich bin zwar viel länger unterwegs als mit dem Flugzeug, kann aber während der Fahrt besser arbeiten», erklärt er.
Die nächsten wichtigen Themen, mit denen sich Michael Rauchenstein in Brüssel zu beschäftigen hat, sind die Personenfreizügigkeit, über die am 27. September abgestimmt wird, der Brexit, der bis Ende Jahr beendet sein muss, sowie das Finanzpaket gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise.