Der 36-jährige Björn Bruhin ist in Schübelbach aufgewachsen und hat bei Swiss-Ski seit 2016 die Funktion des Forschungskoordinators inne. Das heisst, dass er für alle Forschungsprojekte, egal welcher Richtung, zuständig ist. Er hat an der ETH Zürich einen Bachelor in Sport- und Bewegungswissenschaften und einen Master in Biomechanik abgeschlossen. Seine Tätigkeit teilt sich grob gesagt in drei Einsatzbereiche auf. Da wäre als Erstes der «Sports Science Support». Er umfasst die wissenschaftliche Unterstützung auf dem Feld bei Anlässen wie den Olympischen Spielen, Weltmeisterschaften und im Weltcup. Dabei arbeitet Bruhin mit den Teams direkt vor Ort. Ein anderer Teil ist die Projektkoordination, der das Erarbeiten von neuen Methoden umfasst. Dazu spannt er mit verschiedenen Hochschulen zusammen. In erster Linie dreht sich die Aufgabe hier um die Koordination von Projekten. «Dabei gilt es herauszufinden, ob etwas Sinn macht, ob wir in die richtige Rich-tung unterwegs sind.» Dritter Bereich ist das Wissensmanagement. «Es geht hier darum, das Gelernte auf dem Feld zu vermitteln.» Die Frage laute dabei etwa, wie man Trainer schulen kann, wie man etwas in die Trainerausbildung, in Ausbildungsdokumente hineinbringe. Eine weitere Frage sei, wie man die Bedienung von Software oder Tools akkurat vermitteln könne.
Nicht alle Sportler gleich affin
Der Support auf dem Feld hat, laut Bruhin, viel mit Daten erfassen, bearbeiten und bereitstellen zu tun. Bei Swiss-Ski sei er etwa zur Hälfte im Bereich Ski Alpin tätig. Schliesslich sei dies auch der Bereich mit der grössten Struktur. Die anderen 50 Prozent verteilten sich auf alle übrigen Disziplinen. So hätten er und sein Team eine Startanlage für Skicrosser in einer Halle aufgebaut. «Der Aufwand, der betrieben wird, um am Schluss kleine Unterschiede herauszuholen, ist riesig. Ein Stück weit muss man da mitspielen, denn wenn die Unterschiede immer kleiner werden, zählt am Schluss jedes Prozent.» Aber wie steht es denn um die Motivation der Athleten und Trainer, bei solchen Projekten mitzuwirken? Bei der Grundlagenforschung sei es sicher schwieriger, weil man nicht direkt etwas mitgeben könne, so Bruhin. Hier müsse er darauf hinweisen, dass solche Forschungsprojekte unabdingbar sei-en, um danach neue Instrumente zu entwickeln. Wenn es allerdings in Richtung Support gehe, also darum, den Trainern und den Sportlern Einblick in Leistung und Taktik zu geben, könne dies ein Wettbewerbsvorteil sein, der für alle auf der Hand liege. Dort gebe es Athleten, die mehr oder weniger affin seien. «Die einen wollen alles selber wissen und sind bei Besprechungen mit dem Trainer dabei, andere wollen die Inhalte rein durch den Trainer vermittelt haben.» Diese Athleten vertrauten darauf, dass dieser alles filtere und die richtigen Schlüsse ziehen werde.
Tricks, etwas beliebt zu machen
«Am erfolgreichsten verlaufen Projekte, wenn ein Trainer im Team ist, der dieses unbedingt umgesetzt haben will. Dann wird es immervorangetrieben. » Es gebe aber auch Tricks, etwas beliebt zu machen. Ein Projekt, das wegen zu viel Aufwands negativ beurteilt worden sei, habe er halt ein Jahr lang mit einer anderen Disziplin umgesetzt. Nach der Präsentation seien die Verantwortlichen von Ski Alpin plötzlich ebenfalls Feuer und Flamme gewesen. Ein Projekt, das von Trainerseite iniziiert worden sei, betreffe die Video-analyse. Bruhins Aufgabe ist es gewesen, die Geschwindigkeit der Fahrer auf das Videobild zu bringen – und zwar nicht mit dem Tacho, der an TVÜbertragungen eingeblendet wird. «Dieser ist nicht genau und für uns nicht brauchbar», so Bruhin. Mittels eines Projekts an der ETH Lausanne habe man eruiert, welcher Sensor wie genau messen kann. «Dazu haben wir auch Spezifikationen gebraucht, wie exakt das Signal sein muss, damit es genau genug ist, um eine Aussage zu machen. » Nach der Testung und Validierung habe man gesehen,dass das Signal funktioniert. Schliesslich habe man Wege gesucht, dieses mit den Videodaten zu verbinden, um eine geschickte Auswertung hinzukriegen. Dies mit dem Ziel, dass die Athleten idealerweise kurz nach der Fahrt mit dem Sensor die Daten auf dem Video haben. «In Südkorea an Olympia haben wir das zum ersten Mal gemacht. Für zehn Athletenvideos brauchte ich damals drei Stunden.» In den Jahren darauf habe man intensiv an Verbesserungen gearbeitet, um alles schneller und automatischer zur Verfügung zu haben. Immer mit dem Ziel, die Zeit zwischen Aufnahme und Analyse kleiner werden zu lassen. «Mittlerweile sind wir bei zehn Videos in drei Minuten», so Bruhin.
Schneller Feedback geben
Wenn man in ein neues Feld eintauche, könne man sich nicht immer ganz genau vorstellen, was herauskommt. Dieser Prozess sei auch explorativ. Wichtig sei für ihn, dass man am Schluss möglichst einfach sagen könne, wo der Vorteil ist. Im Skicross heisse der Zeitgewinn, dass zwischen zwei Läufen die Analyse gemacht werden könne. So sei man viel schneller im Umsetzen von Feedback. Man könne zum Beispiel sagen, in welcher Kurve welche Taktik besser sei, wo man mehr ausholen, wo direkter fahren solle. Solches könne er aus den Daten herauslesen, wichtig sei aber auch das Zusammenspiel mit den Trainern. «Sie kennen die Athleten, wissen, ob ein Athlet das fahren kann oder ob man es anpassen muss.» Zwischen 2010 und 2015 war Bruhin selbst Trainer bei den Para-Skifahrern. Er kennt also auch die Traineroptik. Nun ist er zu 100 Prozent beim Bundesamt für Sport (Baspo) angestellt, Swiss-Ski hat aber eine Vereinbarung mit dem Baspo und er arbeitet ausschliesslich für den Skiverband. «Mein Büro ist in Magglingen. Dort sind auch Leute in ähnlicher Funktion von anderen Verbänden, etwa vom Schwimm- oder Leichtathletikverband, in der gleichen Gruppe angesiedelt. Aber wir sind nicht oft gleichzeitig im Büro.» Zurzeit wohnt Bruhin in Zürich, aufgewachsen ist er in Schübelbach, das Gymnasium hat er in Nuolen besucht. «Ein bis zwei Tage bin ich auch heute noch in Schübelbach, weil meine Eltern alternierend mit den Schwiegereltern auf unsere zwei Töchter aufpassen.» Im Büro in Magglingen sei er tatsächlich nicht so oft anzutreffen. An rund 100 bis 150 Tagen im Jahr sei er auf dem Schnee. «Grundsätzlich ist mein Arbeitsplatz dort, wo mein Laptop steht.»