Schon 1895 hatte der französische Tüftler René Gillet die Idee, am Vorderrad eines Velos einen Motor zu montieren. Während für andere europäische Techniker Zweitaktmotor und Reibrollenantrieb noch suspekt blieben, sprang in Frankreich der Funke. 1901 entstand hier der Ixion, ein Velo mit Zweitakt-Frontantrieb. Bald wurden auch deutsche Zweiräder damit ausgerüstet (Sigurd) oder in den Komet-Werken in Lizenz gebaut.
Dem Ixion folgte ein gutes Jahrzehnt später, ebenfalls in Frankreich, der Cyclotracteur mit Viertakt-Hilfsmotor; auch er fand im Ausland Verbreitung. Doch der grosse Wurf blieb noch aus.
Not macht erfinderisch
Der Durchbruch für das selbstfahrende Velo erfolgt dann aber – nicht von ungefähr – während des Zweiten Weltkriegs: Zwei Pariser Jungunternehmer, Maurice Goudard und Marcel Mennesson, bauen in ihrer Firma Radialradiatoren, um Busse und Lastwagen zu kühlen und stellen später unter dem Namen Solex Vergaser her.
Dieser Markenname Solex wird später auch auf ihre Fahrradfabrik, ein weiteres Standbein ihres Unternehmens, übertragen. Denn ab 1940 entsteht der Prototyp eines selbstfahrenden Velos mit Zweitakt-Motor, angeflanscht über dem Vorderrad auf einem gewöhnlichen Alcyon-Herrenfahrrad- Rahmen, und ausgerüstet mit 700-mm-Rädern (französisches Patent 1941, US-Patent 1942).
Trotz Kriegssituation handelt man weitsichtig-langfristig: Die ersten 700 Prototypen werden ab 1942 an die Werksarbeiter verteilt, um sie zu testen und zu verbessern. Dieses seriöse Vorgehen zahlt sich aus. Denn es stellt sich beispielsweise heraus, dass die gängigen Fahrrad-Rahmen für den Anbau eines Hilfsmotors im Dauerbetrieb nicht stark genug sind, weshalb man sie durch einen stabileren, «offenen» und zudem damenfreundlichen Schwanenhalsrahmen (Col de Cygne) ersetzt.
1946 erste Velosolex-Serie
Die Solexstory ist Musterbeispiel geschickter Unternehmenstaktik: Man beschränkt sich in der schwierigen Nachkriegszeit – im Sinn eines populär- preiswerten Beförderungsmittels – auf 45 ccm Hubraum, eine Leistung von 0,4 PS bei 2000 U/min und einen Verbrauch von nur einem Liter Treibstoff pro 100 km bei einem Gesamtgewicht von 25 kg und einer Geschwindigkeit von 28 km/h. Denn dies eröffnet dem Solex in Frankreich die Klasse der (damals) zulassungs- und führerscheinfreien Cyclomoteurs.