Susanne R. liest momentan gar keine Zeitung. Und das ist wohl besser für sie. Sie macht keinen Hehl daraus, dass die Ereignisse sie überrannt haben: «Ich hatte nie etwas mit Journalisten zu tun», sagt sie. Sie sei der ehrliche und offene Typ. Auch sei sie nie davon ausgegangen, dass sie mit ihrer Verwaltungstätigkeit als Sekretärin etwas Unmoralisches oder Ungesetzliches tue, deshalb habe sie den Medien – unter dem Vorbehalt einer Gegenlesung vor der Veröffentlichung – Auskunft gegeben. Dieser Vereinbarung ist man aber nicht nachgekommen. Sie dachte, dass sie mit ihrer Aussage eine allfällige Abklärung unterstützen könnte.
Keine Namen, keine Zahlen
Doch nun ist ein Shitstorm über sie hereingebrochen. Sie hat den verworrenen und für viele Menschen abstrakten Themen wie Offshore-Geschäfte und Briefkastenfirmen ein Gesicht gegeben. Sie hat «geplaudert», – was Anwälte in einer solchen Situation nicht tun würden. Diese halten sich still im Hintergrund: «Nein, nein, ich darf keine Namen nennen», wehrte sie am Telefon energisch ab. «Auch keine Zahlen. » Dabei hatte alles überschaubar angefangen: Als ihr früherer Arbeitgeber, eine Anwaltskanzlei, Konkurs ging, habe sie die Betreuung für einige Firmen übernommen. Firmen, die zuvor von der Kanzlei betreut wurden. Während dieser Zeit war sie im Glauben, das weitergeleitete Geld werde für «Bohrinseln vor einer Küste» benötigt. So hatte man es ihr gesagt.
Wie eine Handlangerin
«Nach dem Konkurs hatte ich einige Monate keinen Lohn und mangels Kenntnis, was die Gesellschaften respektive mit den Gesellschaften unternommen wurde, sah ich keinen Grund, die Betreuung der Gesellschaften nicht weiter fortzuführen und nahm die Arbeit an», führt sie aus. Sie begann, über ihre eigene Firma die Briefkastenfirmen zu verwalten. «Ich war einfach die Sekretärin und führte die Arbeiten aus, die mir aufgetragen wurden.» Sie organisierte Unterschriften und Papiere, leitete diese weiter. Für ihre Tätigkeit wurde sie entlöhnt. Daran sei nichts illegal gewesen, weiss sie.
Dass sie hingegen nie gefragt oder nachgehakt hatte, sieht sie heute als moralischen Fehler an. «Ich war ahnungslos », beteuerte sie. Erstmals stutzig wurde sie vor wenigen Jahren, als sie im Fernsehen den Namen des Präsidenten von Aserbaidschan und seinen Familienmitgliedern hörte. Denn just diese Namen tauchten regelmässig in ihren Unterlagen auf. «Ich habe wohl gewusst, dass jede und jeder Steuern sparen will, weitere Szenarien entzogen sich meiner Vorstellungskraft.» Doch jetzt, wo sie beginne, das Ausmass der «Pandora-Papers-Story» besser zu verstehen, findet sie «das Ganze überhaupt nicht in Ordnung».
Anwälte nutzen Gesetzeslücke
Dass über Briefkastenfirmen fast jährlich eine politische Diskussion entbrennt, hat sie nicht zur Kenntnis genommen. Sie gesteht, dass dies wohl auch an ihrem mangelnden Interesse an der Politik liege. Denn während Schweizer Banken verdächtige Kundennamen den Behörden melden müssen, gilt dieses Gesetz, das Geldwäschereigesetz, für Anwälte und Treuhänder im Umgang mit dubiosen Kunden nicht. Anwälte nutzen eine Gesetzeslücke aus. Bei Vorstössen zur Verschärfung dieser Gesetzeslage, die auch Anwälte einbinden will, stellte sich das Bundesparlament bisher immer dagegen.
«Fakt ist», sagte Susanne R., «ich habe nichts Ungesetzliches getan und ich war mir meines unmoralischen Verhaltens nicht bewusst.» Dass sie nun von den Medien ins Rampenlicht gestellt wird, grenze an eine Persönlichkeitsverletzung. Nach der ersten Veröffentlichung hat sie sich beim «Tages- Anzeiger» zur Wehr gesetzt. Dieser gehört zum Tamedia-Redaktionsnetzwerk und ist am ICIJ beteiligt.