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08.09.2020
08.09.2020 10:45 Uhr

Der Angeschossene sagt nicht alles

Das Glarner Kantonsgericht befasste sich mit dem Fall aus Näfels vor zwei Jahren, als ein Mann durch Schüsse lebensgefährlich verletzt wurde. (Bild: Keystone)
Das Glarner Kantonsgericht befasste sich mit dem Fall aus Näfels vor zwei Jahren, als ein Mann durch Schüsse lebensgefährlich verletzt wurde. (Bild: Keystone) Bild: Keystone/Gaetan Bally
Vor zwei Jahren sind in Näfels Schüsse gefallen, ein Mann wurde lebensgefährlich verletzt. Was genau geschehen ist, liegt immer noch im Dunkeln. Vor dem Kantonsgericht musste sich jetzt einer der Beteiligten verantworten.

Im Gerichtssaal in Glarus sitzen zwei Männer um die 30, die wissen, was am Abend des 25. Septembers 2018 auf einem Industrieareal in Näfels geschehen ist. Aber beide schweigen. Der eine ist der Angeklagte, er darf die Aussage verweigern. Der andere verfolgt den Prozess als Zivilkläger, er wird vom Gericht nicht befragt. Aber in seinen früheren Aussagen während der Untersuchung habe er nicht alles gesagt, was er wisse. Das sagt die Verteidigung.

Der Zivilkläger landete an jenem Abend lebensgefährlich verletzt mit drei Kugeln im Körper im Kantonsspital in Glarus. Er war in seiner Luxuslimousine selber in die Notfallaufnahme gefahren und musste sofort operiert werden. Der Mann wohnt im Kanton Aargau, ist kräftig und gross und trägt einen schwarzen Vollbart. Der dreistündigen Verhandlung folgt er ohne jede sichtbare Gemütsregung.

Zwei Versionen des Geschehens

Weil die beiden Männer nie damit herausrücken wollten, was an jenem Abend genau passiert ist, gibt es unterschiedliche Versionen von Staatsanwalt und Verteidigung. Für den Staatsanwalt hat der Angeklagte mit den zwei Komplizen einen Raubüberfall auf den Mann mit der Limousine geplant. Es seien aus dessen Auto im Verlauf der Geschehnisse jenes Abends 50'000 Franken verschwunden. Das Opfer habe sich aber gewehrt und den Angeklagten mit dem Messer verletzt. Der Staatsanwalt verlangt eine Gefängnisstrafe von zwölf Jahren und 15 Jahre Landesverweis.

Auch der Verteidiger geht davon aus, dass sich die Männer «nicht zu einem Kindergeburtstag» getroffen hätten, es sei wohl um irgendeinen Drogendeal gegangen. Dafür spricht, dass im Auto Banknoten im Wert von 15'000 Franken mit Spuren von Kokain gefunden worden sind. Für die These vom geplanten Raubüberfall gebe es aber keine Anhaltspunkte. Es sei wahrscheinlich bei der Abwicklung des Deals zu einem Streit gekommen. Dabei habe der Mann mit der Limousine mutmasslich zuerst zur (Stich-)Waffe gegriffen, erst dann seien die Schüsse gefallen. So handle es sich aber nicht um die behauptete vorsätzliche Tötung. «Ich habe eher den Eindruck von einem Chaos als von einem Plan», so der Verteidiger. Er verlangt einen Freispruch.

Freispruch nach zwei Jahren?

Der Angeklagte ist seit dem November 2018 im Gefängnis. Wenn er jetzt freigesprochen würde, wäre eine Entschädigung durch den Staat für diese lange Haft fällig. Der Verteidiger befürchtet, das Gericht könnte sich davon beeinflussen lassen und einen Schuldspruch fällen. Das Glarner Obergericht hat zuletzt im Mai eine Entlassung aus der Haft abgelehnt. Der Verteidiger hatte in seiner Beschwerde der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, sie habe das Verfahren «ohne erkennbaren Grund» verzögert.

Daniel Fischli
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