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01.01.2022

Filmjahr 2021: Publikum blieb auf "durchgesessenen Sofas" sitzen

Bild: Marcello Engi
Produktionen sind abgebrochen oder verschoben worden: Dass im Filmjahr 2021 nicht alles nach Plan lief, ist keine Überraschung. Doch laut Ivo Kummer, Chef der Sektion Film beim Bundesamt für Kultur (BAK), erlebte eine Sparte einen Aufschwung: der Schweizer Dokumentarfilm.

Mit 41 Prozent liegt der Marktanteil des Schweizer Dokumentarfilms im Kinojahr 2021 über dem zehnjährigen Durchschnitt von rund 33 Prozent. Diese Werte seien allerdings von Jahr zu Jahr stark schwankend, betont Kummer. So lag der Marktanteil 2015 bei einem Minimum von 23 Prozent und 2012 bei einem Maximum von 68 Prozent - verantwortlich dafür sei vor allem die Sparte Spielfilm, die grösseren Schwankungen ausgesetzt sei.

Als besonders erfolgreiche Dokumentarfilme des ablaufenden Jahres hebt der Filmchef "Lynx" von Laurent Geslin und "Das neue Evangelium" von Milo Rau hervor. Ersterer, der über die Rückkehr der Luchse in den Jura erzählt, feierte am Locarno Filmfestival Weltpremiere und kommt am 24. Februar 2022 in die Deutschschweizer Kinos. Raus Jesus-Geschichte im Kontext der Jetztzeit wurde an zahlreichen internationalen Festivals gezeigt und mit dem Schweizer Filmpreis ausgezeichnet.

Der Dokumentarfilm als neuer Trend im Schweizer Film?

So könne man das nicht sehen, sagt Ivo Kummer. "Was aber sicher gilt: In keinem anderen europäischen Land gibt es eine so grosse Auswahl an Dokumentarfilmen im Kino - und ein so grosses Publikumsinteresse".

Im Weiteren haben die verschiedenen Reformen der Filmförderung des BAK die Finanzierung der Dokumentarfilme verbessert. Konkret sind die Unterstützungsbeiträge zwischen 2016 und 2020 von 16,5 auf 19 Millionen Franken gestiegen. Dies habe sich weniger auf die Anzahl der Produktionen als auf die Qualität der einzelnen Werke ausgewirkt. Eine eigens komponierte Musik, eine bessere Tonspur oder Postproduktion, mehr Zeit für den Schnitt - das alles wirke sich unter anderem positiv auf den Produktionswert und die Publikumswahrnehmung aus, so Kummer.

Kein zweiter "Platzspitzbaby"

60 Schweizer Filme sind im zweiten Pandemiejahr in die Kinos gekommen, darunter sechs minoritäre Koproduktionen. Das sind erneut rund 20 Prozent weniger heimische Produktionen als vor der Pandemie. Im Vergleich: 2019 waren es 76 und im Folgejahr 58 Schweizer Produktionen.

Deutlich tiefer als 2020, als der Film "Platzspitzbaby" allein die Hälfte aller Ticketverkäufe ausgemacht hat, dürfte 2021 auch die Anzahl der Kinoeintritte ausfallen. Dabei waren mit "Stürm - Bis wir tot sind oder frei", "Monte Verita" oder "Und morgen seid ihr tot" grosse Produktionen und entsprechende Erwartungen am Start. "Man muss offen sagen: es ist nicht gut gelaufen", so Kummer.

Trotz einer Kampagne, die das Publikum zurück in die Kinosäle locken wollte, und "obwohl die Sofas doch alle längst durchgesessen sein dürften", fühlen sich die Filmfans offenbar im Kino nicht sicher genug. Das habe man an dem neuen James-Bond-Streifen "No Time to Die" sehen können, der im September in die Kinos kam. "Der Film war eine grosse Hoffnung, hat aber auch nicht den durchschlagenden Erfolg gebracht."

Kino als kulturellen Ort stärken

Die Sehgewohnheiten haben sich in den digitalen Raum verlagert. Damit verfestigte sich ein Trend, der sich schon vor der Pandemie abzeichnete. Für die Zukunft lädt Ivo Kummer die Kinobetreiberinnen und -betreiber ein, ihre Lokale als kulturelle Orte zu stärken. "Das Kino soll mehr bedeuten als Eintritt zahlen und Popcorn essen." Entsprechend sieht das BAK Einzelförderungen vor, die den Kinos ermöglichen, zusätzlich zum Filmprogramm auch thematische Diskussionen zu organisieren oder beispielsweise die Filmcrew einzuladen.

Als durchaus positiv kann der Rückzug ins Digitale im Zusammenhang mit den Filmfestivals gewertet werden. Diese hätten den "Drahtseilakt, kurzfristig teilweise oder ganz auf online umstellen zu müssen", extrem gut gemeistert, sagt der Filmchef. Die strapaziöse Erfahrung mache es ausserdem möglich, auch nach der Pandemie einzelne digitale Programmpunkte einzuplanen - nicht zuletzt, um Reisen zu vermeiden und dadurch Ressourcen zu schonen.

Pandemie-Kurzfilme als Zeitdokument

Neben Festivals und Kinos hatte natürlich auch die Filmproduktion selber ein weiteres Pandemiejahr zu meistern. Glücklicherweise habe man zusammen mit anderen Filmförderungen und der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG rasch Massnahmen umsetzen können, sagt Ivo Kummer.

Indem man etwa Schutzkonzepte entschädigt habe, "konnte der Schaden vor allem für Produzentinnen und Produzenten reduziert werden". Im Weiteren habe man, ebenfalls in Zusammenarbeit mit der SRG, eine zweite Staffel von Lockdown-Kurzfilmen finanziert. Die Resultate, die als Zeitdokument dienen und den Filmschaffenden die Möglichkeit boten, ihre Reflexion über die Pandemie künstlerisch umzusetzen, sind auf dem Streamingdienst Play Suisse zu sehen.

sda
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